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Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Titel: Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
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Körper wie eine Ranke. Guy und ich waren in diesem Traum kurz davor, uns zu vereinigen, als seine Stimme, seine reale Stimme, zu mir hereindrang. Ich hörte, wie er drei Etagen unter mir an den Fenstertüren rüttelte und Biba anschrie.
    » Komm schon!«, schrie er. » Hilf mir mit der Tür, du verpennte Ziege!« Dann veränderte sich sein Ton. » Oh, fuck ! Wach auf! Wach auf! Scheiße…« Ich glaube, in der Stille, die jetzt folgte, versuchte er sich an Rex’ und meinen Namen zu erinnern, denn als er dann um Hilfe rief, war es nur ein unpersönliches, aber drängendes » Oi!«
    Rex war schon auf dem Treppenabsatz, als ich unten ankam. Er hatte Falten vom Schlaf in der Wange, und seine roten Augen blinzelten. Er trug immer noch– oder wieder– die Sachen, die er am Abend getragen hatte. Ich stürzte hinter ihm ins Samtzimmer. Guys Silhouette stand vor der Glastür; er bemühte sich, den festgerosteten Knauf zu drehen und gleichzeitig Biba zu stützen. Ihr Körper hing schlaff an ihrem linken Arm, den sie um Guys Schultern geschlungen hatte. Gelber Lichtschein beleuchtete sie plötzlich von links: Bei Tom Wheeler hatte jemand eine Lampe angeknipst. Wieder ein Minuspunkt für uns.
    Biba war fast bewusstlos. Ihr Make-up sah jetzt aus wie eine Totenmaske. Ihre Mundwinkel waren von Erbrochenem verklebt, und ihre Augen waren so verdreht, dass man nur das Weiße sah. Rex packte sie, zog sie in seine Arme und trug sie hinaus auf den Treppenabsatz. Dort fiel er auf die Knie und hielt sie auf dem Schoß wie eine Pietà. Ihr Kopf rollte in den Nacken, und sie streckte die Beine von sich. Ihre Füße waren nackt.
    » Was ist passiert?«, fragte ich Guy. » Was hast du ihr gegeben?«
    » Nur ein bisschen Koks«, sagte er abwehrend. » Sie hat gesagt, sie hätte schon mal welches genommen. Ich konnte ja nicht wissen, dass sie ausflippt. Sie ist umgekippt, als wir im Wald waren.«
    Guys Hose stand offen. Er zog den Reißverschluss hoch und schloss die Gürtelschnalle.
    » Du Dreckschwein!«, fauchte Rex. Ich hockte mich neben ihn und versuchte, Bibas Kleid über ihre Hüften herunter- und ihre Unterhose weiter hochzuziehen. » Wenn ihr etwas passiert, bringe ich dich um, verdammt. Das meine ich ernst. Ich bringe dich um!«
    » Hey«, sagte ich, und ich streichelte Bibas Haar und hielt Rex’ Unterarm fest. » Es ist ja gut. Ich habe euch beide. Keine Sorge. Wir bringen sie in die Notaufnahme oder so was. Sie wird schon wieder. Wir alle drei.« Ich sprach ganz ruhig, obwohl die Panik wie ein kochender Geysir in mir heraufstieg und mir die Kehle verbrannte. » Ich glaube, du verschwindest jetzt besser«, sagte ich zu Guy.
    » Mit Vergnügen«, näselte er und ging rückwärts die Treppe hinunter, weg von dem panischen kleinen Tableau mit uns dreien. » Ist ja nicht meine Schuld, dass sie nichts verträgt, Mann.«
    Er klang trotzig, aber er stolperte auf dem Weg zur Haustür, und seine Hände zitterten so sehr, dass er die Vorlegekette kaum herunterbekam.

FÜNFZEHN
    I ch sehe sie alle immer wieder, unmögliche Sichtungen an ganz unerwarteten Orten. Sogar die Kleindarsteller in dieser Tragödie, Leute, die ich nur ein- oder zweimal gesehen habe, tauchen in meinem Bewusstsein auf und verschwinden wieder, und meine Fantasie rekonstruiert ihre schemenhaften Gesichter. Sie lauern überall, stets bereit, wieder Gestalt anzunehmen, sowie eine gewisse paranoide Stimmung aufzieht.
    Vor zwei Jahren habe ich gedacht, ich sehe Nina und ihre Kinder in einem Einkaufszentrum. Die Frau triefte von Silberschmuck und klingelte beim Gehen. Auf ihrer Hüfte saß ein kleines Mädchen, und ein Junge zog an den übereinandergeschichteten Röcken der Mutter und tanzte um sie herum wie um einen Maibaum. Natürlich wusste ich, dass sie es nicht sein konnten: Inigo und Gaia müssen inzwischen junge Teenager sein, und diese Kinder waren noch sehr klein. Und Nina mit ihrer Liebe zu Märkten und Kunsthandwerksmessen und ihrem Abscheu gegen massenproduzierte Waren und die Ladenketten, in denen man sie kaufen kann, hätte diese glitzernde Vorstadt-Mall niemals betreten. Aber das hinderte mich nicht daran, aufzuschreien und auf sie zuzustürzen, um mich in die Arme der einzigen Person zu werfen, die vielleicht alles verstehen würde, die sie gekannt hat, wie ich sie kannte. Das Kind auf ihrem Arm hörte den Aufschlag und das Rascheln, als meine Einkaufstüten auf dem Boden landeten, und drehte sich zu mir um. Ich schaute weg, bevor sie Zeit hatte, ihre Mutter

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