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Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Titel: Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
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ja, sogar langweilig, aber meine Gefühle für ihn machten eine subtile Entwicklung durch. Vielleicht füllte Rex die Leere aus, die Biba mit ihrer Abwesenheit hinterließ, vielleicht ist es auch einfach das, was Sex bewirkt– jedenfalls verlagerte sich der Fokus meiner Aufmerksamkeit nach und nach von der Schwester auf den Bruder. Nina hatte recht gehabt: Rex entsprach einer allgemeinen Vorstellung von einem perfekten Lover– meiner. Wie hatte ich je an seiner Schönheit zweifeln können? Sein Gesicht war nicht länger ein Abbild Bibas. Es war an und für sich schön.

SECHZEHN
    D er Computer, an dem ich arbeite, steht in der Nische unter der Treppe, und mein Stuhl ist dem Wohnzimmer mit seinen Ablenkungen abgewandt. Als ich aus dem Dorf zurückkomme, liegen die Papiere, die ich auf der Tastatur abgelegt habe, auf dem Couchtisch. Alice sitzt allein vor dem Monitor und hat die Zunge konzentriert zu einem Röhrchen zusammengerollt, während sie durch eine Website scrollt, die ich nicht kenne.
    Der Rechner sollte nur mir zugänglich sein– nicht, weil ich etwas zu verbergen habe, sondern weil ich genau wissen will, was Alice sich ansieht. Er ist mit einem Passwort gesichert, das sie niemals erraten könnte, aber Rex hat es offenbar geschafft, oder er hat es umgehen oder deaktivieren können. Es ist ein langes Wort, ein ungewöhnlicher Name mit vier Konsonanten in der Mitte. Wenn es ein Laptop wäre, würde ich den Deckel auf ihre Finger herunterknallen lassen. So ziehe ich den Stecker aus der Wand.
    » Mu-uum!«, sagt Alice, als die Kiste den Blackout mit einem fügsamen Seufzer akzeptiert. » Ich hab da was angeguckt?« Anscheinend können weder ihre Lehrer noch ich etwas tun, um aus ihren Fragen Aussagesätze zu machen. Rex kommt aus der Küche, ein Messer in der einen, eine Zwiebel in der anderen Hand. Vermutlich sieht er deshalb aus, als hätte er geweint.
    » Sie darf nicht unbeaufsichtigt ins Internet«, sage ich.
    » Ich war buchstäblich drei Schritte weit weg«, sagt er. Das stimmt natürlich. In diesem winzigen Haus ist es physikalisch unmöglich, einen größeren Abstand zwischen zwei Personen herzustellen.
    » Sie glaubt, ich lasse mich von einem Pädophilen entführen.« Alice verdreht die Augen. Sie stapft durch das Zimmer und wirft sich eindrucksvoll auf die Sofakissen. Dieses Faible für Dramatik hat sie nicht von mir. » Als wäre ich blöd genug, um mich groomen zu lassen. Wir haben in der Schule darüber gesprochen. Ich weiß, was ich tue.«
    In Wahrheit sind Pädophile meine geringste Sorge.
    » Ich war nur für eine Minute aus dem Zimmer«, entschuldigt Rex sich. Aber das würde schon genügen. Ich weiß, dass ich sie nicht für alle Zeit beschützen kann. Aber sie ist noch so klein. Vorläufig kann ich sie im Auge behalten. Ich kann sie– nicht zurückhalten, nein, aber sie da behalten, wo sie ist. Noch ein Weilchen.
    Bisher war Alice zufrieden mit den Bruchstücken der Geschichte, mit denen ich sie abgespeist habe, aber bald wird sie Fleisch auf dem Gerippe sehen wollen. Sie weiß nicht, dass Rex mit Nachnamen Capel hieß, aber ich habe den Namen Biba fallen lassen, und weitere Hinweise sind gar nicht nötig. Die Geschichte der Capels langsam schleichend zu enthüllen, hat Alice nicht nötig. Sie wird keine Zeitungsausschnitte zusammensuchen und an Türen lauschen müssen, wie ich es musste. Ich habe Monate gebraucht, um die Geschichten in Erfahrung zu bringen, und Jahre, um sie zu vertuschen, aber sie kann sie wahrscheinlich mit ein paar Mausklicks ans Licht bringen. Die Namen Rex und Biba sind ungewöhnlich genug, um ein paar Treffer bei Zeitungsarchiven zu liefern. Der gefühlte Glamour dessen, was passiert ist– Jugend, Geld, unkonventionelle Familienverhältnisse–, bedeutet, dass Rex’ Verbrechen in die Anthologien grausiger Websites aufgenommen worden ist, von Leuten, die aus solchen Dingen einen Fetisch machen. Alles ist da, wenn man nur weiß, was man sucht. Ungefähr einmal im Monat habe ich es selbst gesucht, bevor Rex nach Hause gekommen ist. Alles ist da.
    Wenigstens etwas gibt es, das sie im Internet nicht herausfinden kann: die Natur meines eigenen, unentdeckten Verbrechens. Das soll nicht heißen, dass mein Geheimnis sicher ist. Im Gegenteil. So manches könnte geschehen. Potenzielle Notfallsituationen könnten die Tatsachen zwingen, ans Licht zu kommen, blinzelnd und widerwillig. Die Zeit verringert diese Wahrscheinlichkeit nicht zu meinen Gunsten. Eher wird sie größer

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