Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
mit jedem Tag, an dem Alice heranwächst. Was wird passieren, wenn es herauskommt? Ich weiß nicht einmal, gegen welches Gesetz ich verstoßen habe, aber es muss eins geben, es muss illegal gewesen sein. Und wie würde man mich bestrafen? Welche Strafe könnte schlimmer sein als das Wissen, mit dem ich jeden Tag lebe?
» Du hast bis heute Abend Zeit, mir deine Liste zu geben.«
» Wie bitte?«
» Die Gästeliste für deine Party. Wir haben nur noch zwei Wochen. Wir hätten eigentlich schon vor einer Ewigkeit anfangen müssen, die Leute einzuladen.«
Mein eigener einundzwanzigster Geburtstag war Ende Juli, zwei Monate nach Bibas, und sie behandelte ihn mit dem gleichen Enthusiasmus wie ihren eigenen. Mir rutschte das Herz in die Hose, als sie die Party beschrieb, die sie plante: die Musik, die wir spielen, die Ballkleider, die wir tragen würden. Der Küchentisch würde ins Esszimmer hinaufgebracht werden, und es würde ein ganzes gebratenes Schwein geben, über das wir uns alle hermachen könnten, » und zum Nachtisch Unmassen von erstaunlichen Drogen. Alle werden komplett hinüber sein«. Das alles hörte sich nach einer Party an, auf die ich gern gegangen wäre, wenn jemand anders gefeiert worden wäre, aber mit mir als Gastgeberin war es reine Fantasie. Wen sollte ich einladen? Mein winziger Kreis, die drei Leute, die ich in London zu meinen Freunden zählte, war irgendwo in Frankreich mit meinem Exfreund. Nina war genauso unerreichbar. Selbst die freundlichen Nomaden Tris und Jo würden wohl kaum den weiten Weg von Devon hierher in Kauf nehmen, um mit einer, die sie nur zweimal gesehen hatten, Geburtstag zu feiern. Rachael war in der Nähe, aber Bibas andere beste Freundin und ehemalige Bewohnerin von Speicher eins zu meiner Geburtstagsparty einzuladen, weil ich sonst niemanden kannte, roch nach Verzweiflung. Entweder wollte ich mit zwanzig anderen Leuten feiern oder nur zu dritt.
» Ich will keinen Aufwand«, sagte ich, und als ich Bibas enttäuschtes Gesicht sah, fügte ich hinzu: » Vielleicht könnten wir es einfach eine Nummer kleiner machen. Für mich sind die besten Abende immer die mit uns dreien. Die Musik und den Schweinebraten und die hervorragenden Drogen kann es doch trotzdem geben.«
» Jaaa…«, sagte sie zweifelnd.
Als mein Geburtstag dann kam, gab es keinen Plan, nichts war eingekauft, und der einzige Hinweis darauf, dass der Anlass überhaupt zur Kenntnis genommen wurde, war eine von den beiden unterschriebene Geburtstagskarte. Es war eine schöne Karte, ein Aquarell von einem Maler aus der Nachbarschaft, das den Wald genau so darstellte, wie ich ihn sah: schimmernd, ätherisch und beinahe menschenleer. Den Rest des Sommers über stand die Karte auf dem Kaminsims in meinem Dachzimmer. Sie war eins der wenigen Besitztümer, die ich aus dem Haus rettete, als ich weglief, aber ich habe sie nicht mehr. Ich habe sie auf der Terrasse des Hauses in Brentford verbrannt, als ich endlich allein war. Aber mehr gab es nicht: keine Geschenke und erst recht keine Party, nicht mal einen heimlichen Besuch von Rex. Mitten am Nachmittag lag ich zwei Stunden auf meinem Bett; ich tat, als lese ich, aber in Wirklichkeit wartete ich darauf, dass Rex mich besuchte. Er kam nicht.
Um fünf erschien er auf der Balkonterrasse. Ich lag in der Sonne, und Biba las. Ein schüchternes Lächeln spielte um seine Mundwinkel. Ich trug einen Bikini, Biba das T-Shirt, in dem sie geschlafen hatte.
» So könnt ihr nicht ausgehen«, sagte er und sah auf die Uhr. » Ihr habt zwei Stunden Zeit, euch für Karens Geburtstagsbankett herzurichten.« Er zog eine Rolle Zwanziger aus der Tasche seiner abgeschnittenen Jeans. » Heute Abend lade ich meine beiden Lieblingsmädels ein.« Er klatschte zweimal in die Hände. » Los! Je früher ihr anfangt, desto hübscher seid ihr nachher!«
Biba hatte in ihrem Zimmer ein Fenster geöffnet, vielleicht zu Ehren meines Geburtstags, und der übliche erstickende Geruch von Haaren, Haut und Bettwäsche war nicht da. Es klopfte an der Tür, und dann hörte man, wie das Klatschen von Rex’ Sandalen sich im Korridor entfernte. Vor der Tür stand eine Flasche Cava aus dem Supermarkt in einem Blumentopf voll Eis auf einem schäbigen alten schwarzen Tablett mit einem grellen Siebzigerjahremuster aus konzentrischen Kreisen. In den beiden Champagnerkelchen rechts und links neben der Flasche perlten schon goldene Bläschen.
» Was ziehe ich denn an?«, fragte ich Biba und trank das erste Glas in zwei
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