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Das giftige Herz

Das giftige Herz

Titel: Das giftige Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Doyle
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Wiedersehen.« Wanner nickte den beiden Frauen zu und ging.
    Als er wieder zu Hause angekommen war, ließ er sich von Frau Esslinger Hut und Mantel abnehmen und eilte in sein Zimmer ans Fenster. Es war so, wie er befürchtet hatte: Hedwig hatte die Vorhänge zugezogen.
    Bedauerlich, dachte der Inspektor, aber ich muss mich jetzt ohnehin auf meine Arbeit konzentrieren.

14 SCHULDENLAST
    Pistoux hatte zwei Stunden damit zugebracht, den gestohlenen Handwagen zu suchen, ohne Erfolg. Schlecht gelaunt und frierend kehrte er in die Bäckerei zurück. Frau Dunkel empfing ihn in der Backstube mit der Nachricht: »Der Junge ist fort.«
    »Sie haben ihn gehen lassen?«
    »Er ist einfach verschwunden.«
    »Mit dem verletzten Fuß?«
    »Vielleicht hat er das mit seiner Verletzung ja nur gespielt, weil er sich mal durchfuttern wollte.«
    »Aber Frau Dunkel, er hat doch gearbeitet. Das Essen hatte er sich wohl verdient.«
    »Immer nur Lebkuchen essen wird auf Dauer doch teuer.«
    »Sie hätten ihn nicht gehen lassen dürfen. Es ist Winter und bitterkalt draußen.«
    »Immerhin war der Junge ein Dieb. Ich hätte ihn am liebsten gar nicht aufgenommen. Wer weiß, was er mitgenommen hat!«
    »Zuallererst handelt es sich um ein Kind in Not.«
    Frau Dunkel schnaubte verächtlich: »Sie sind naiv, Herr Pistoux!«
    »Mag sein, dass manche es naiv nennen, wenn man menschlich handelt.«
    »Pah, menschlich. Diese verwahrlosten Kinder sind daran schuld, dass mein armer Mann im Gefängnis sitzt.«
    Pistoux sah die Bäckersfrau fragend an: »Wie das?«
    »Hätten sie nicht das Lebkuchenherz gestohlen …«
    »Aber es kommt doch darauf an, wer es vergiftet hat.«
    »Zunächst einmal handelt es sich um Diebstahl und Einbruch.«
    »Aber das Rätsel ist doch ein anderes: Wer hat die Lebkuchen vergiftet?«
    »Wollen sie etwa meinem Mann unterstellen …?«
    »Ich unterstelle nichts, Frau Dunkel.«
    »Man könnte fast glauben, Sie wollten von etwas ablenken …« Die Bäckersfrau brach ab und geriet ins Grübeln.
    »Hören Sie …«, begann Pistoux, wurde aber unterbrochen, als Frau Dunkel erschrocken mit dem Finger auf ihn zeigte.
    »Sie … Sie … als Sie gekommen sind, hat das ganze Unglück erst begonnen … Jetzt seh ich es erst!« Sie wich zwei Schritte von ihm zurück, die Augen weit aufgerissen, die Arme abwehrend ausgestreckt, als würde sie plötzlich den Leibhaftigen vor sich sehen.
    »Aber …«
    Die Bäckersfrau sah plötzlich so aus, als sei sie von einem bösen Geist besessen. »Wie konnten wir nur einen Franzosen bei uns aufnehmen! Ach!« Sie schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. »Was für eine Niedertracht.« Sie wich weiter zurück, von plötzlicher Angst getrieben. »Sie Giftmischer!«
    Pistoux stand dem plötzlichen Ausbruch von Hysterie erschrocken und hilflos gegenüber.
    »Aber Frau Dunkel …«
    In ihren Augen blitzte es fanatisch: »Fort aus meinem Haus, Giftmischer!«
    Aufgeregt, wie sie war, stolperte sie über ihre eigenen Füße und wäre zweifellos gestürzt, wenn nicht überraschend ein Mann hinter ihr eingetreten wäre und sie aufgefangen hätte.
    Der Mann war groß und kräftig, trug einen elegant geschnittenen Mantel mit Samtkragen. Sein Gesicht war eher breit geschnitten, sein Schnurrbart fein gezwirbelt, seine Wangen von Schmissen übersät. Er stellte die Bäckersfrau, die wesentlich kleiner und schmächtiger war als er, wie ein kostbares Möbelstück beiseite, nahm den Zylinder ab und sagte: »Entschuldigen Sie bitte, gnädige Frau.«
    Er klemmte sich den Spazierstock unter den linken Arm und zupfte sich theatralisch die weißen Handschuhe ab.
    Frau Dunkel taumelte erschrocken beiseite: »Oh, bitte, was …?«
    Der Mann schlug die Hacken zusammen, verbeugte sich leicht und sagte, an Frau Dunkel gewandt: »Gestatten Sie, Schaller, Leopold Schaller. Zu Diensten.«
    »Herr Schaller …« Der Bäckersfrau blieb der Mund offen stehen.
    »Höchstpersönlich.«
    Pistoux stellte verärgert fest, dass der Mann ihn keines Blickes würdigte.
    Frau Dunkel strich sich verlegen die Schürze glatt. »Aber Sie … was machen Sie denn hier, so plötzlich …«
    Schaller hob entschuldigend die Hände: »Ich wollte keineswegs eindringen. Ich rief, hörte keine Antwort, dann Stimmen … Ein Streit, gnädige Frau? Fühlen Sie sich diesem Mann ausgeliefert? Soll ich …?«
    Pistoux spürte, wie der Zorn in ihm aufstieg. Was mischte sich dieser Kerl hier ein! Und was wollte er eigentlich? Hatte nicht neulich erst ein Abgesandter

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