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Das giftige Herz

Das giftige Herz

Titel: Das giftige Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Doyle
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eine Abfuhr erteilt bekommen?
    »Schon gut, schon gut«, wehrte Frau Dunkel ab. »Es ist alles in Ordnung.«
    »Ich möchte Ihren Mann aus dem Gefängnis befreien, Frau Dunkel.«
    »Ach … das ist ja … sehr freundlich …« Sie strich sich ratlos über die Schürze und blickte sich um. »Wollen Sie sich nicht setzen, Herr Schaller?«
    Es gab keine Stühle in der Backstube. Das bemerkte sie jetzt auch.
    »Herr Pistoux, holen Sie bitte einen Stuhl.«
    Widerwillig ging Pistoux in den Vorratsraum und kam mit einem Stuhl zurück, den er neben den großen Arbeitstisch stellte.
    »Vorsicht, da ist überall Mehl. Sie machen sich noch schmutzig.«
    Schaller lachte. »Keine Angst! Vergessen Sie nicht, dass ich selbst vom Fach bin: Ein bisschen Mehl auf der Kleidung adelt mich nur.« Er sah den Stuhl an und schüttelte den Kopf: »Ich bleibe lieber stehen.«
    Das hätte er auch gleich sagen können, dachte Pistoux verärgert.
    Frau Dunkel zupfte an ihrer Schürze: »Sie möchten sich also für meinen Mann einsetzen?«, fragte sie voller Hoffnung.
    »Aber ja!« Schaller versuchte ein gewinnendes Lächeln, das Pistoux eher wie ein wölfisches Grinsen vorkam. »Für seinen Partner muss man sich doch einsetzen.«
    »Partner?«, fragte Frau Dunkel verwirrt.
    »Ja doch. Sie werden doch verstehen, dass ich einen Grund haben muss, mich für ihn einzusetzen. Andernfalls würde sich die Polizei doch sehr wundern, meinen Sie nicht?«
    Auch eine Art von Logik, dachte Pistoux finster. Frau Dunkel überlegte intensiv, was dieser Gedankengang bedeuten mochte. Dann nickte sie zögernd.
    »Sie wissen doch, dass ich Ihren Mann mehrfach dazu eingeladen habe, Teilhaber meiner Fabrik zu werden«, sagte Schaller.
    »Teilhaber soll er werden? Davon hat er mir nichts gesagt.«
    »Aber ja. Mit seinem guten Namen wird die Lebkuchenfabrikation Leopold Schaller – dann selbstverständlich Schaller & Dunkel – einen ungeahnten Aufschwung nehmen.«
     
    »Sogar sein Name soll …?«
    »Natürlich. Sein Name soll gemeinsam mit meinem auf den bunt verzierten Blechdosen prangen, die wir schon bald in alle Welt verschicken werden, denn ich bin gerade dabei, einen Vertrieb zu organisieren, wie er noch nie da gewesen ist. Wir leben im Zeitalter der Industrie, da müssen große Mengen aller Waren als Massengüter verschickt werden – auch Lebkuchen. Sie werden sehen, es wird ein lukratives Unternehmen.« Schaller leckte sich die Lippen, beugte sich nach vorn und fügte in verführerischem Ton hinzu: »Sie werden reich werden, Frau Dunkel, eine Villa, Bedienstete, Reisen in aller Herren Länder …«
    Frau Dunkel fühlte sich geschmeichelt und war gleichzeitig völlig durcheinander: »Aber … wir einfachen Leute … warum … und wie?«
    »Es ist alles ganz einfach. Nachdem sie den Vertrag unterschrieben haben, werde ich eine Kaution stellen, um Ihren Mann aus dem Gefängnis zu befreien.«
    »Sie werden ihn befreien?«
    »Natürlich, das ist doch Ehrensache.« Schaller bemühte sich um einen noblen Gesichtsausdruck, der aber von den zahllosen Schmissen auf seinen Wangen, dem gierigen Grinsen und dem hinterhältigen Glitzern in seinen Augen mehr als infrage gestellt wurde.
    »Aber … ein Vertrag?«
    »Ja, das ist unerlässlich. Eine geschäftliche Partnerschaft muss besiegelt werden. Sie bringen ihr Wissen, ihren Namen und vor allem die berühmten Dunkel’schen Rezepte in das Unternehmen ein, ich das Kapital und die Fabrik, und unserem gemeinsamen Erfolg steht nichts mehr im Wege.«
    »Das klingt so … einfach … aber …«
    »Weil es logisch ist, Frau Dunkel. Logik ist immer einfach, vor allem in der Wirtschaft.«
    »Nur … ich verstehe nicht … warum mein Mann, nicht will … wollte.«
    Schaller zog die Schultern hoch: »Das verstehe ich selbst nicht. Der Logik zufolge hätte er längst …«
    »Es ist wohl eher eine Frage der Ehre«, warf Pistoux ein, der nicht mehr mit anhören konnte, wie dieser skrupellose Geschäftemacher die Situation auszunutzen versuchte.
    Schaller blickte ihn scharf an. In seinen Augen sprühte Hass. Pistoux hielt dem Blick stand.
    »Ehre«, sagte der Fabrikant und konnte nicht verhindern, dass sich ein verächtlicher Unterton in seine Stimme einschlich. »Was haben denn Logik und Ehre gemein?«
    »Eben«, sagte Pistoux.
    Frau Dunkel rang die Hände: »Ich bitte um Ruhe!«
    »Die Ehre eines Handwerkers hat vor allem mit seiner Kunst zu tun«, sagte Pistoux.
    »Kunst ist keine Ware, und die Ware ist das Einzige, was zählt!«,

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