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Das giftige Herz

Das giftige Herz

Titel: Das giftige Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Doyle
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Schreiber seufzte: »Sie sind mir ein bisschen zu spitzfindig, mein lieber Wanner.« Er legte den Federhalter beiseite.
    Auf Wanners Gesicht erschien der Anflug eines Lächelns. Er empfand diese Bemerkung als Kompliment.
    »Nun gut«, fuhr der Oberrat fort, »normalerweise würde man davon ausgehen, dass ein alteingesessener Bürger wie Jakobus Ehrenhoff sich nicht mit einem erst kürzlich zugezogenen Fabrikanten unbekannter Herkunft gemein macht.«
    »Eben, das sage ich doch!«
    »Die Ehrenhoffs gehören seit dem 14. Jahrhundert zum Nürnberger Patriziat. Unter Jakobus Ehrenhoffs Vorfahren befanden sich nicht wenige Reichsminister und sonstige hohe Staatsbeamte.«
    »Und so einer befreundet sich mit einem Kerl wie Schaller?«
    Schreiber lächelte: »Wieso nennen Sie ihn Kerl?«
    »Ich habe hier und da Erkundigungen eingezogen. Schaller hat zweimal versucht, hohe Beamte der Stadt zu bestechen, damit ihm ein bestimmtes Gelände nördlich des Vestnertors zugesprochen wird.«
    »In der Tat, das hat es gegeben. Vor zwei Jahren war das. Wir mussten uns mit der leidigen Sache beschäftigen. Es hat dem Ansehen des Staatrats nicht gut getan, obwohl die betreffenden Ratsherren die Angebote selbstverständlich abgelehnt haben.«
    »Aber das Seltsame ist doch, dass Schaller genau an der Stelle in den Gärten hinter dem Vestnertor seine Fabrik zur maschinellen Herstellung von Lebkuchen gebaut hat.«
    »Zunächst einmal hat er dort eine Villa errichtet. Und daneben dann die Fabrik. Aber so viel ich weiß, hat er noch keine Genehmigung, die Fabrik zu betreiben. In den Zeitungen wurde darüber berichtet.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass man etwas so Feines wie den Lebkuchen mit Maschinenkraft herstellen kann«, sagte Wanner nachdenklich.
    »Man hat sich auch nicht vorstellen können, dass jemand sich auf eine Dampfmaschine setzt und in rasender Geschwindigkeit über eiserne Schienen von einem Ort zum anderen reist. Und nun gibt es die Eisenbahnlinie nach Fürth schon seit über vierzig Jahren. Am Anfang hieß es, man würde sofort sterben, wenn man sich in einen Waggon setzt. Heute gibt es Eisenbahnen allerorten, und kaum einer spricht noch von der guten, alten Postkutsche. Fortschritt geht einher mit Vergesslichkeit, mein lieber Wanner. Was nun aber die von Ihnen so heiß geliebten Lebkuchen betrifft«, Schreiber deutete auf die Schale auf seinem Schreibtisch, »so können Sie gern diese handgemachten Exemplare meiner Frau mitnehmen. Ich kann Lebkuchen nämlich nicht ausstehen. Sie liegen mir schwer im Magen. Außerdem sind sie klebrig, nicht nur in der Hand, auch im Mund.« Der Oberrat verzog das Gesicht.
    Wanner musste schlucken. »Vielen Dank, aber meine Zimmerwirtin …«
    Schreiber hob die Hände: »Kein Wort mehr, ich verstehe schon.« Er hielt inne und fügte dann nachdenklich hinzu: »Soll mir nur mal jemand erklären, wieso auf diese schreckliche Weihnachtszeit die Fastenzeit folgt, es ist doch so schon anstrengend genug …«
    Wanner sah den Oberrat fragend an, jetzt konnte er ihm nicht mehr so ganz folgen. Schreiber brach verwirrt seinen Gedankengang ab. Es folgte eine kurze Pause. Dann nahm Wanner seinen ganzen Mut zusammen.
    »Wie wäre es denn …?«, sagte er zögernd.
    Oberrat Schreiber zog die Augenbrauen hoch und beugte sich nach vorn. »Ja?«
    »Könnte nicht … der Fabrikant Schaller bei dem Ratsherrn um Einflussnahme bezüglich einer Genehmigung für seine Lebkuchenproduktion nachgesucht haben?«
    »Was für ein ungeheuerlicher Vorwurf!«
    Wanner zuckte mit den Schultern.
    Der Oberrat lehnte sich in seinem Sessel zurück: »Na gut, nehmen wir nur mal rein hypothetisch so etwas an – was sollte das dann mit Ehrenhoffs Tod zu tun haben?«
    Wanner war ratlos. »Ich meine ja nur …«, stotterte er. »Es gibt doch eine Verbindung zwischen dem Toten und dem Fabrikanten.«
    »Das sind alles sehr vage Annahmen, die Sie hier vortragen, Wanner.«
    Der Inspektor blickte zu Boden.
    »Trotzdem«, entschied Schreiber, »statten Sie diesem Schaller halt mal einen Besuch ab. Aber gehen Sie behutsam vor. Man weiß ja nun wirklich nicht, wie weit seine Verbindungen reichen.«
    Wanner lächelte zufrieden. Mehr als diese Genehmigung hatte er ja gar nicht haben wollen.
    »Ich werde mal bei ihm vorbeischauen«, sagte er.
    »Sehr schön«, sagte der Oberrat, griff wieder nach seinem Federhalter und fuhr mit dem Unterzeichnen der Dokumente fort.

16 VERRATEN UND VERKAUFT
    »Sie haben Staub vergiftet!«, rief der Junge, der

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