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Das giftige Herz

Das giftige Herz

Titel: Das giftige Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Doyle
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drohend zwei Schneebälle in den Händen hielt. Er trug eine Schirmmütze auf dem Kopf, die anderen beiden hatten Wollmützen auf.
    Pistoux war noch immer bemüht, sich den Schnee aus dem Gesicht zu wischen.
    »Was?«, fragte er verwirrt.
    »Was haben Sie mit Niemand gemacht?«
    »Ich verstehe kein Wort. Was soll das?«
    Ein dicker Schneeball traf Pistoux an der Stirn. Nun wurde er wütend. »Ihr Bengel!«, rief er. »Ich werde euch.«
    Ein Schneeballhagel war die Antwort. Pistoux hielt sich die Arme vors Gesicht und wich zurück. Als der Angriff vorbei war, war der Platz vor der Bäckerei leer. Die Kinder waren verschwunden.
    Pistoux klopfte sich den Schnee ab und blieb stehen. Natürlich wurde ihm kalt in seiner Bäckerkluft ohne Mantel.
    An der Straßenecke gegenüber tauchte ein Kopf mit Wollmütze auf: »Wir wollen Niemand wiederhaben!«
    Unter dem Rufenden tauchte ein weiteres Gesicht auf: »Was hast du mit Staub gemacht?«
    »Kommt her!«, rief Pistoux laut.
    Die Gesichter verschwanden.
    »Ich will meinen Handwagen wiederhaben!«, rief Pistoux.
    Daraufhin hörte er nur höhnisches Gelächter.
    Pistoux spürte, wie ihm immer kälter wurde. Wenn er hier noch länger im Schnee herumstand, würde er sich den Tod holen.
    »Gebt mir den Wagen zurück, dann bringe ich euch Lebkuchen!«, rief er.
    Dann drehte er sich um und ging in die Bäckerei zurück. Er holte sich einen Mantel und zog sich Stiefel an, einen Schal und eine Mütze. Dann blickte er durchs Schaufenster nach draußen. Die Kinder waren nirgends zu sehen.
    Er ging in den Lagerraum und suchte eine Kiste mit den größten und schönsten Lebkuchen aus. Frau Dunkel und der Fabrikant waren nicht mehr in der Backstube. Pistoux nahm an, dass sie nach oben in die Dunkel’sche Wohnung gegangen waren. In ihrer panischen Angst würde die Bäckersfrau sicherlich die Geheimnisse ihres Mannes verraten.
    Pistoux lief mit der Lebkuchenkiste in den Laden und dann hinaus auf die Straße. Er stellte sie in die Mitte auf den kleinen Platz vor der Bäckerei und zog sich wieder zurück. Nichts passierte. Diese verflixten Gören, dachte Pistoux, wieso kommen sie dann nicht? Er ging wieder zurück in die Backstube und hob kurzerhand das Lebkuchenhaus vom Tisch und trug es vorsichtig nach vorn. Es war nicht ganz einfach, das hübsche Häuschen mit den zuckergussbemalten Figuren durch die schmale Tür zu bugsieren. Die Zuckerwatte, die als Rauch aus dem Schornstein quoll, fiel dabei zu Boden.
    Er stellte das Häuschen neben die Lebkuchenkiste mitten auf die Gasse und kam sich ziemlich lächerlich dabei vor. Nachbarn, die ihn beobachteten, mussten zweifellos den Eindruck gewinnen, dass er wunderliche Dinge tat.
    Pistoux zog sich in den Laden der Bäckerei zurück und wartete am Fenster ab, was passieren würde. Zunächst geschah gar nichts. Dann wurde er von Stimmen im Treppenhaus hinter sich abgelenkt. Es waren Frau Dunkel und der Fabrikant. Er hoffte, dass die Bäckersfrau ihren Gast durch die Seitentür verabschiedete. Aber nein, die beiden kamen in den Laden. Frau Dunkel trat als Erste ein und warf Pistoux nur einen kurzen, vernichtenden Blick zu. Leopold Schaller folgte mit zufriedenem Gesicht. In der Hand hielt er Friedrich Dunkels Kladde mit den Rezepten. Pistoux hatte etwas so Ähnliches erwartet, war aber dennoch schockiert darüber, wie schnell die Bäckersfrau die Geheimnisse ihres Mannes preisgab. Er konnte nicht anders, er musste einfach sagen: »Tun Sie das nicht, Frau Dunkel. Sie werden es bitter bereuen.« Sie ignorierte ihn.
    Sie trat zur Tür und zog sie auf, um ihren neuen Geschäftsfreund lächelnd zu verabschieden.
    »Wenn es sein muss, werde ich einen Experten aus München kommen lassen, der die Schrift entziffern soll«, sagte Leopold Schaller und presste sich die Kladde gegen die Brust.
    »Tun Sie alles, was in Ihrer Macht steht«, sagte Frau Dunkel. »Damit mein Mann recht bald wieder freikommt.«
    »Das kann ich Ihnen aufrichtigst versichern, gnädige Frau.« Der Fabrikant versuchte freundlich zu lächeln, aber ihm gelang nur ein wölfisches Grinsen. Sie hat ihm den Schatz in die Hände gegeben, ohne eine Sicherheit zu haben, dachte Pistoux.
    Frau Dunkels Blick fiel nach draußen. Sie wirbelte herum, starrte Pistoux an, als sei er ein Geist, wirbelte wieder zurück, deutete auf das Lebkuchenhaus, das dort im Schnee stand, drehte sich wieder um und ignorierte den Abschiedsgruß von Leopold Schaller, der sich eilig davonmachte. Hinter ihm fiel die Tür

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