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Das giftige Herz

Das giftige Herz

Titel: Das giftige Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Doyle
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stapfte der Inspektor über den verharschten Schnee. Dann blieb er stehen und zog die Hasenpfote aus der Manteltasche.

22 AUF DÜNNEM EIS
    Pistoux stand am Pranger und versuchte, die Konturen des Raumes auszumachen, der von rußenden Fackeln unzureichend erleuchtet wurde. Seine Arme und Beine steckten in engen Löchern, aus denen er sie nicht befreien konnte.
    »Früher haben Sie die Diebe auf dem Marktplatz so ausgestellt«, hatte Wetzel mit hämischem Grinsen erklärt, als er die Balken über Pistoux’ Gliedmaßen gelegt hatte und den Keil in die Sperre trieb.
    »Red nicht so viel, Wetzel«, hatte Leopold Schaller gemahnt. »Beeil dich.«
    Die Kinder standen an den Wänden, ihre Handgelenke waren mit eisernen Armbändern gefesselt, die an schweren, in der Mauer verankerten Ketten hingen. Auch der Junge, den sie Niemand nannten, war da. Als sie, bedroht von Schaller und Wetzel, in den Kellerraum des Schuldturms getreten waren, hatte Niemand sie freudig begrüßt und war dann in sich zusammengesunken, als er die Pistolen in den Händen der beiden Männer gesehen hatte.
    Es war eine gespenstische Szene. Der Kellerboden des runden Raums hatte sich im Laufe der Jahrhunderte in Richtung Pegnitz abgesenkt und war teilweise überflutet. In der Mitte stand neben dem Pranger eine Art Altar, über den eine weiße Decke gebreitet war. Darauf lagen, säuberlich angeordnet, blank geputzte Menschenschädel und Menschenknochen. Es standen auch einige kostbar vergoldete Kästen darauf, und auf einem Extratisch ein reich verzierter Schrein.
    Plötzlich war Pistoux klar, was für einen verbrecherischen Handel der Gewürzhändler betrieb.
    »Das sind Reliquien«, sagte er.
    »Sieh mal an, der Franzose hat es messerscharf erkannt«, sagte Wetzel, als ob er sich geschmeichelt fühlte.
    »Sie lassen heilige Knochen stehlen und verkaufen sie an religiöse Fanatiker.«
    »Jaja«, lachte Wetzel. »Sie bezahlen gutes Geld dafür, sehr gutes Geld.«
    »Red nicht so viel!«, fiel Schaller ihm ins Wort.
    Aber Wetzel redete gern. »Wieso? Wir sind hier in meinem Haus. Da darf ich sagen, was ich will.«
    »Denk lieber darüber nach, was wir jetzt mit denen hier machen.«
    »Sie sind doch gut verwahrt. Warum sollen sie mir nicht eine Weile zuhören?«
    »Das ist eitles Geschwätz und bringt uns nicht weiter«, sagte Schaller nervös und ließ seinen Blick über die Kinder gleiten, die an der Wand standen und das Geschehen mit weit aufgerissenen Augen verfolgten.
    Auch Pistoux sah zu den Kindern hinüber. Er bemerkte, dass Keiner ihm zublinzelte und andeutungsweise nickte.
    »Was haben die Kinder denn mit diesem gottlosen Handel zu tun?«, fragte er.
    »Die Kinder?«, sagte Wetzel. »Mit mir haben die gar nichts zu tun.«
    »Sei still!«, rief Schaller verärgert.
    »Ihr habt Staub umgebracht und den Ratsherrn noch dazu!«, rief Keiner.
    Wetzel wirbelte herum und grinste hämisch: »Aber nein, nicht wir.« Er deutete auf Schaller: »Es war doch alles seine Idee.«
    »Still, Wetzel!« Schaller richtete jetzt seinen Revolver auf den Gewürzhändler. Der wiederum zielte mit seiner Waffe auf den Fabrikanten.
    Wieder blinzelte Keiner Pistoux zu.
    »Einen Menschen umzubringen und ihn dann aus dem eigenen Fenster zu hängen, ist eine wirklich eigenartige Idee«, sagte Pistoux.
    Wetzel stampfte mit dem Fuß auf den Boden. »Ich habe ihn nicht aus dem Fenster gehängt!«
    »Nein!«, rief Keiner laut. »Das waren wir.«
    Nun war auch Pistoux erstaunt.
    »Diese Kerle da«, sagte Keiner, »haben die Leiche vor unserem Unterschlupf in den Stadtgraben gelegt. Wir haben sie ihnen zurückgebracht.«
    »Mir habt ihr sie zurückgebracht, ihr vermaledeiten Bengel!«, rief Wetzel empört. »Wieso mir und nicht ihm?«
    »Weil«, sagte Keiner, »du einen von uns umgebracht hast.«
    »Ich? Niemals!«
    »Doch!«, riefen die Kinder wie aus einem Mund, dass Wetzel einen Schritt zurückmachte.
    »Nichts habe ich getan, nichts!«
    »Du hast vergiftete Lebkuchenherzen in die Bäckerei Dunkel geschmuggelt!«, rief Keiner.
    »Was? Woher wollt ihr das wissen?«
    »Weil wir dich beobachtet haben«, sagte Schwarz.
    »Ja, du warst es«, sagte das Mädchen. »Wir haben dich im Hinterhof gesehen.«
    »Unsinn! Lächerlich …«
    »Du hast dich von Kindern belauschen lassen?« Schaller schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Ruhe!«, rief Wetzel hilflos. »Woher wollt ihr denn wissen, dass die Lebkuchen vergiftet waren?«
    »Weil Staub davon gegessen hat und gestorben ist.«
    »Das war

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