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Das giftige Herz

Das giftige Herz

Titel: Das giftige Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Doyle
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Wurst?«, fragten die vier Kinder verwundert.
    Wanner blickte ratlos auf die Käswurst, die er plötzlich in der Hand hielt.
    »O nein«, sagte er. »Das ist es doch nicht.«
    »Der Inspektor hat eine Wurst in der Tasche!« Das blonde Mädchen klatschte in die Hände.
    Blitzschnell schob Wanner die Käswurst wieder in die Manteltasche und zog eine Hasenpfote hervor.
    »Hier.«
    »Mein Talisman!«, rief Niemand. »Ich habe ihn bei dem Gewürzhändler verloren.«
    Wanner gab dem Jungen die Pfote zurück, dann blickte er verlegen in die Runde, die sich im Salon der Dunkels versammelt hatte. Das Wohnzimmer, das nur an ganz wenigen Festtagen im Jahr aufgeschlossen wurde, strahlte in weihnachtlichem Lichterglanz. Ein üppig dekorierter Weihnachtsbaum, dessen Spitze ein Rauschgoldengel zierte, stand neben dem großen Esstisch, auf dem für acht Personen gedeckt worden war. Auf der weißen Tischdecke aus Brokat stand genau in der Mitte ein Adventskranz, dessen vier Kerzen brannten. Rechts und links davon türmten sich auf großen Tellern Weihnachtsplätzchen und Lebkuchen. Vor den imposanten Stühlen mit den hohen Lehnen standen Holzteller, auf denen Nüsse, Äpfel und sogar Orangen lagen.
    Inspektor Wanner schüttelte Bäckermeister Dunkel und seiner Frau die Hand. Das Ehepaar hatte sich nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen wieder versöhnt.
    »Entschuldigen Sie bitte, dass ich jetzt noch am Heiligen Abend bei ihnen hereinschneie, es ist nur …«
    »Aber Herr Inspektor!«, rief Frau Dunkel empört. »Wir haben Sie doch eingeladen! Haben Sie das etwa vergessen?«
    »Ich, äh, nein, vielen Dank.«
    Friedlich Dunkel war bereits hinter ihn getreten, um ihm Mantel und Hut abzunehmen.
    »Die Wurst!«, rief das Mädchen.
    Die Kinder lachten. In seiner Verlegenheit hatte Wanner die Wurst wieder aus der Manteltasche gezogen.
    »Eine Käswurst«, sagte Wanner. »Man bekommt sie auf dem Hauptmarkt in der Käsehandlung Bückner.«
    Endlich war es dem Bäcker gelungen, Wanner Mantel und Hut abzunehmen.
    »Ist das ein Geschenk für uns?«, fragte das Mädchen und deutete auf die Wurst.
    »Nun ja, eigentlich … hier bitte.«
    Er reichte ihr die Wurst.
    Das Mädchen tanzte um den Tisch. »Er hat mir eine Käswurst geschenkt, er hat mir eine Käswurst geschenkt!«
    Inspektor Wanner bemerkte, dass alle vier Straßenkinder anwesend waren, außerdem das Ehepaar Dunkel, aber einer fehlte.
    »Wo ist denn Ihr Geselle, ich meine, der Franzose?«
    »Er geht wieder seinem angestammten Beruf nach«, sagte Dunkel.
    »Oh, das ist schade.« Wanner zuckte mit den Schultern. »Ich hatte ihn eigentlich noch nach einigen Zusammenhängen fragen wollen … was unseren Fall betrifft.«
    »Sie wollen doch nicht am Heiligen Abend noch arbeiten?«, fragte Frau Dunkel.
    »Wenn der Fall nur nicht so verwirrend wäre …«
    »Fragen Sie doch uns«, sagte der Junge, der sich Keiner nannte.
    »Ja, also …«
    Frau Dunkel klatschte in die Hände: »Halt! Einen Moment! Zuerst einmal muss der Tisch gedeckt werden.«
    Wanner blickte erstaunt zum Esstisch. Da standen doch schon Teller. Was sollte da noch gedeckt werden? Aber die Kinder begannen die Holzteller abzuräumen und stellten sie auf einer Kommode ab. Dann verließen sie das Zimmer, kamen nach einer Weile im Gänsemarsch zurück und deckten den Tisch neu ein, mit großen Porzellantellern, dazu passenden Suppentellern, Silberbesteck und großen, im Kerzenlicht blinkenden Weinkelchen.
    Nachdem der Tisch gedeckt war, zündete Friedrich Dunkel mit feierlicher Miene die Kerzen des Weihnachtsbaums an. Dann wurde das Gaslicht gelöscht, und alle setzten sich an den Tisch. Ein Gedeck blieb übrig.
    Kaum hatten sie alle Platz genommen, wandte sich der Inspektor an Keiner und fragte: »Was ich zum Beispiel bei dieser ganzen Geschichte nicht so recht verstehen kann …«
    Da ging die Tür auf, und Jacques Pistoux trat ein, bekleidet mit weißer Weste und weißer Schürze, auf dem Kopf eine Kochmütze. In den Händen trug er vorsichtig eine große Suppenterrine, die er auf den Tisch stellte.
    »Aber«, sagte Wanner. »Herr Pistoux? Ich dachte, Sie seien bereits fort.«
    »Ich sagte doch, dass er wieder in seinem angestammten Beruf arbeitet«, freute sich der Bäcker über seinen Scherz.
    »In der Tat.«
    Pistoux begann, die Suppe mit einer großen Silberkelle auf die Teller zu geben. Herr und Frau Dunkel saßen jeweils am Kopfende des Tisches. Wanner saß links von Friedrich Dunkel, der Platz ihm gegenüber war noch

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