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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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alle in Mitleidenschaft gezogen: Es waren Lauschner, denen das Unglück widerfahren war, es waren Brüder, Schwäger, Nachbarn und Freunde, es waren Glasbläser, die verloren hatten. An diesem Tag, auf dem Lauschaer Bahnhof, waren sie alle Verlierer.
    Aus der Traum von der Arbeit in der eigenen Hütte! Verloren waren alle Illusionen einer besseren Zukunft, in der das eigene Geschick in den eigenen Händen gelegen hätte. Alles verloren. Wegen eines Betrügers, der längst das Weite gesucht hatte. Der sich wahrscheinlich ins Fäustchen lachte angesichts der Gutgläubigkeit der Löffelschnitzer hinter den Bergen. Der sich mit ihrem Geld einen schönen Lenz machte!
    Alles verloren.
    Christoph Stanzer, der den Löwenanteil des Geldes beigesteuert hatte, ging stumm nach Hause, ungläubig, nicht in der Lage, das Gehörte zu verarbeiten. Die meisten jedoch blieben einfach da, suchten die Nähe der anderen. Sie spürten den kalten Ostwind nicht, der über den Bahnsteig pfiff, spürten nicht, wie mit der Dunkelheit auch der feuchte Nebel auf sie herabsank.
    Ein paar wenige wollten ihrer ohnmächtigen Wut an Ort und Stelle Luft machen – David Wagner hatte die ersten Hiebe und Knuffe schon abbekommen, bevor Thomas Heimer und Richard Stämme die aufgebrachten Männer zur Räson bringen konnten. Es fiel den Leuten schwer zu glauben, daß der Bankmensch in seinem feinen Zwirn keine Schuld trug. Wenn nicht er, wer dann?
    Der Verleger, von dem der Tip gekommen war! Er war schuld! Wie hatten sie jemals so gutgläubig sein können, so einem zu vertrauen? Jockel, Hansens Sohn und eine Handvoll andere Männer wollten mit dem nächsten Zug nach Sonneberg fahren, ihn aufsuchen, zur Rede stellen. David, der Friedhelm Strobel allein für seine Arroganz eine Tracht Prügel gegönnt hätte, bot dennoch all seine Überredungskunst auf, um die Männer von ihrem Plan abzuhalten. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der Verleger etwas mit dem Betrug zu tun habe, ganz im Gegenteil, auch er sei geprellt worden, schrie er den Männern zu. Und außerdem handele es sich bei dem Mann um den zukünftigen Hüttenbesitzer. Wollten sie es sich schon im Vorfeld mit ihm verscherzen?
    Wo war überhaupt die Amerikanerin? hieß es als nächstes. Wo war das Weibsbild jetzt, da ihre hochtrabenden Pläne schiefgegangen waren?
    David beeilte sich, den Männern von Wandas Betroffenheit zu erzählen, davon, daß sie vor Schreck ohnmächtig geworden war und sich im Hause eines Freundes in Sonneberg erholen mußte.
    Frauen … Wenn es darauf ankam, wurden sie ohnmächtig! Jockel spuckte angewidert vor David auf den Boden.
    Noch mitten in der größten Aufregung eilte Alois Gründler nach Hause, so schnell seine kurzen Beine ihn trugen, verrammelte sein Haus, packte in aller Eile seinewichtigsten Habseligkeiten und flüchtete zu seinem Bruder nach Suhl, bevor der Unmut der Leute auf ihn übergehen konnte.

    Niemandem fiel es leicht, in den nächsten Tagen einfach zur Tagesordnung überzugehen. Und doch blieb niemandem etwas anderes übrig.
    Die Glasbläser, die zu Hause am Bolg arbeiteten, mußten schauen, daß sie ihre begonnenen Aufträge termingemäß fertigbekamen – niemandem wäre geholfen gewesen, wenn nun auch noch sie dringend benötigte Gelder eingebüßt hätten.
    Und auch die Arbeiter der Gründler-Hütte waren am nächsten Morgen rechtzeitig zu Schichtbeginn wieder an ihrem Arbeitsplatz – was hätten sie auch sonst tun sollen?
    Am Tor der Hütte fanden sie einen hastig von Hand geschriebenen Anschlag vor, in dem Alois Gründler sie anwies, weiterzuarbeiten wie bisher. Der neue Besitzer werde in Kürze vorstellig werden. Kein Wort des Bedauerns. Kein Vorschlag, wie die Angelegenheit eventuell noch anders zu regeln gewesen wäre. Nicht, daß dazu irgend jemandem etwas eingefallen wäre, aber die feige Art, wie der Hüttenbesitzer seine Männer im Stich ließ, war wie ein Nachbeben, das die Leute erneut in ihren Grundfesten erschütterte.

    Genau drei Tage später tauchte Friedhelm Strobel in Lauscha auf. Es war noch früh am Morgen, die Arbeit hatte gerade erst begonnen, als er wie ein Feldherr durch das Tor schritt. Zu seiner Rechten und Linken marschierten zwei kräftige, grimmig dreinschauende Burschen – es verschaffte den Hüttenarbeitern

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