Das gläserne Paradies
eine gewisse Genugtuung zu sehen, daà ihr neuer Chef es für angebracht hielt, mitseiner eigenen Leibgarde aufzutreten. Doch wenn sie glaubten, Friedhelm Strobel würde sich in seiner Haut unwohl fühlen, so hatten sie sich getäuscht.
Nach einem kurzen Rundgang durch die Hütte, bei dem er die Männer mit einer beiläufigen Handbewegung anwies, ihre Arbeit nicht zu unterbrechen, verschwand er wie selbstverständlich in Gründlers Büro. Im Laufe des Tages lieà er jeden einzelnen der Hüttenarbeiter antreten. Welche Aufgaben hatte der Mann inne? Wie lange war er schon in der Hütte beschäftigt? In welcher Form hatte er mit der gescheiterten Genossenschaft zu tun gehabt? Einsilbig beantworteten die Männer Strobels Fragen, schauten zu, wie sich der Mann zahlreiche Notizen machte, um danach ohne einen weiteren Kommentar wieder an ihre Arbeit geschickt zu werden.
Niemand war nach seinem Besuch in Strobels Büro schlauer als vorher, aber die meisten hatten danach ein noch schlechteres Gefühl.
Es war kurz vor sechs Uhr abends, die Arbeit war fast zu Ende, als Strobel sein Büro verlieÃ.
Während er nach einem Platz Ausschau hielt, wo er sich positionieren konnte, trieben seine beiden Leibwächter die Arbeiter in der Hütte wie Vieh zusammen.
Strobel entschied sich für einen Platz direkt vor dem groÃen Schmelzofen und begann mit seiner Rede.
»Sie müssen mir glauben, wenn ich sage, wie betrübt ich über den Verlauf der Dinge bin! Nichts hätte ich mir mehr gewünscht, als daà die Gründler-Hütte in Lauschaer Hände kommt. Aber leider hatte das Schicksal andere Pläne â¦Â«
»Das Schicksal«, murmelte Martin Ehrenpreis vor sich hin.
»Nun jedoch sitzen wir alle im selben Boot â¦Â« Salbungsvoll wie ein Pfarrer schaute Strobel in die Runde. »An mir, dem Steuermann, ist es gelegen, den Kahn wieder flottzumachen. Ab heute stehen folglich einige grundlegende Veränderungen an â¦Â«
Die Männer tauschten stumme Blicke, und jeder sah im Gesicht des anderen, was er selbst dachte: Das, was kommen sollte, konnte auch nicht schlimmer sein als â¦
Doch was die Männer in der nächsten Stunde zu hören bekamen, übertraf ihre schlimmsten Erwartungen.
Die in der Hütte produzierten Glasrohlinge, die bisher an die Heimgewerbetreibenden verkauft worden waren, sollten nun direkt vor Ort zu Glaswaren aller Art verarbeitet werden. Zu diesem Zweck teilte Strobel sogenannte Arbeitsgruppen ein, denen jeweils ein Aufseher vorstand. Diese Posten bekamen Männer, von denen Strobel aus den Vorgesprächen wuÃte, daà sie garantiert nichts mit der Genossenschaftsgründung zu tun gehabt hatten. Die Arbeitsgruppen trugen Namen wie »Christbaumschmuck«, »Tischwaren« und »Diverses«. Zu letzterer Gruppe würden die Glasbläser zählen, die schon in der Vergangenheit gröÃere Glasobjekte wie Schalen, Vasen und Pokale an den Ãfen gefertigt hatten. Lange Arbeitstische sollten im vorderen Teil der Hütte aufgestellt und jeder Arbeitsplatz mit einem eigenen Gasanschluà versehen werden, so daà die Arbeiter in Reih und Glied aufblasen konnten. Zum Fertigmachen würden die Glaswaren auÃer Haus gegeben werden â Strobel hatte für das Versilbern, Bemalen und Verpacken Familien vorgesehen, die auch schon in der Vergangenheit für ihn gearbeitet hatten.
Christbaumschmuck direkt in der Hütte herstellen? Nach dieser Neuigkeit war es aus und vorbei mit der stummenAkzeptanz der Männer. Wie Hühner auf der Stange würden sie zukünftig dasitzen! rief einer. Was denn aus den Heimgewerbetreibenden werde, die bisher Glasrohlinge der Gründler-Hütte gekauft hatten, wollte ein anderer wissen. Strobel beantwortete diese Frage und eine zweite gleich dazu: Von diesem Tag an würden keine Glasrohlinge mehr nach drauÃen verkauft werden, Christbaumschmuckhersteller wie die Glasbläserei Steinmann-Maienbaum, aber auch andere, würden sich neue Lieferanten für ihre Rohlinge suchen müssen. Auch wolle er in seiner Funktion als Verleger nur noch Glaswaren aus seiner eigenen Hütte vertreiben. Diese neue Vorgehensweise würde gewährleisten, daà er auf Wünsche des Marktes noch schneller und effizienter antworten könne, noch preisbewuÃter produzieren und â
Der Rest seiner wortgewaltigen Ausführungen ging im Tumult
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