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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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unter. Sie sollten die Glasbläser an ihren heimischen Bolgen ausbooten? Ihnen die Arbeit wegnehmen? An der uralten Ordnung sollten sie rütteln? Einer Ordnung, in der jeder Glasbläser, jeder Arbeiter seinen genau zugewiesenen Platz hatte? Das war – eine Katastrophe, die sich auf ganz Lauscha auswirken würde!
    Strobels Leibwächter mußten die Männer mehrmals zur Ruhe ermahnen, bis der neue Hüttenbesitzer weitersprechen konnte.
    Natürlich käme dem Posten des Aufsehers zukünftig eine größere Bedeutung zu, meinte Strobel und warf Gustav Müller Sohn dabei einen langen Blick zu. Gustav erwiderte diesen Blick mit einem bekräftigenden Nicken, nur um im nächsten Moment zu erfahren, daß von nun an Jockel seine Arbeit übernehmen sollte. Jockel? Ausgerechnet ein Mann, dessen eigene Schlampigkeit und schlechte Arbeitsmoral legendär waren? Jockel selbstblähte stolz seine Brust, sackte aber im nächsten Moment wieder in sich zusammen, als er von hinten einen Knuff ins Kreuz bekam.
    Auch Karl der Schweizer Flein wurde seines Postens als Obergeselle enthoben – Strobel sah für diese Stelle einen neuen Mann vor, der in den nächsten Tagen aus der Glashütte Unterneubrunn kommen sollte. Sowohl Karl als auch Gustav wurden der Arbeitsgruppe »Christbaumschmuck« zugeteilt.
    Karl sollte Nüsse blasen? Und Engel? Und Sternchen? Einen besseren Obergesellen konnte man sich nicht vorstellen, und nun sollte er ausgetauscht werden wie ein alter Gaul? Und ausgerechnet gegen einen aus der Unterneubrunner Hütte, wo doch jeder wußte, wie übel den Arbeitern dort mitgespielt wurde.
    Währenddessen zog Friedhelm Strobel die neue Arbeitsordnung für die Glashütte aus der Tasche. Einer seiner Männer heftete ein Exemplar davon gut sichtbar an die Hüttenwand, Strobel selbst verlas die neuen Regeln. Im Schein der Glut, die hinter ihm in den Schmelzöfen niederbrannte, sah er diabolischer aus denn je.
    Die ersten Paragraphen trugen denselben Wortlaut wie bisher: Kinder unter vierzehn Jahren wurden nicht beschäftigt, der Lohn wurde alle vierzehn Tage am Sonnabend ausgezahlt, auch die Arbeitszeiten blieben gleich. Die gesamte Aufsicht lag weiterhin beim Obergesellen, die neuernannten Aufseher würden für das reibungslose Arbeiten in den einzelnen Arbeitsgruppen sorgen. Die Männer gestatteten sich ein leichtes Aufatmen, doch schon im nächsten Moment blieb ihnen erneut die Luft weg: Sollte der Obergeselle oder einer der Aufseher der Meinung sein, ein Arbeiter würde seine Pflichten vernachlässigen, so würden ihm zukünftig pro Arbeitstag bis zuzehn Prozent seines Lohnes abgezogen werden dürfen. Zehn Prozent anstelle von fünf! Dafür, daß jemand ein paar Minuten zu spät kam, weil vielleicht zu Hause die Frau krank war oder eines der Kinder. Dafür, daß jemand im Eifer des Gefechts ein paar Widerworte gab, weil sie alle nur Menschen waren und die Arbeit mit dem Feuer auch sie erhitzte.
    Die Umstellung des alten Arbeitsprozesses auf den neuen erfordere ein hohes Maß an Fleiß und Gehorsam, meinte Strobel, ohne sich um den Aufruhr unter den Männern zu kümmern. Kleinere Fehler oder Fahrlässigkeiten seien in der ersten Zeit nicht ganz auszuschließen – daher sei es das Gebot der Stunde, den Reservefond ebenfalls von fünf auf zehn Prozent zu erhöhen. Mit diesen Geldern würden Schäden an Werkzeugen und Materialien ersetzt werden, so diese vorkamen. Sollte einwandfrei gearbeitet werden, würden die Arbeiter die Gelder am Ende einer Hitze wieder ausgezahlt bekommen.
    Â»Dies soll ein Ansporn sein, die anstehenden Aufgaben gemeinschaftlich anzupacken! Denkt immer daran: Ihr sitzt alle in einem Boot!« Niemandem entging bei diesen Worten, daß plötzlich nur noch von »ihr« und nicht mehr von »wir« die Rede war …

42. K APITEL
    Â»Dein Vater ruht gerade – am liebsten würde ich dasselbe tun, aber Ruth ist unermüdlich! Nachher will sie mich zum Frisör schleppen, dabei waren wir erst letzte Woche dort. So eine Geldverschwendung, als ob sich irgendjemand für meine Haare interessieren würde! Außer Ruth natürlich. Sie hat selbst für unsere letzten Tage in New York noch alle möglichen Programmpunkte vorgesehen …« Die Ironie in Johannas Stimme war trotz der knackenden Telefonleitung nicht zu überhören.
    Â»Und

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