Das gläserne Paradies
mir noch etwas geworden ist. Für ihn wäre es die gröÃte Genugtuung gewesen, wenn ich nie mehr hochgekommen wäre. Aber diesen Gefallen habe ich ihm nicht getan! Was er bei mir nicht geschafft hat, wollte er nun bei dir erreichen, Wanda. Wenn Strobel wüÃte, wie elend du leidest, würde er vor Freude in die Luft springen!«
»Aber was soll ich denn deiner Ansicht nach tun?« rief Wanda. »Ihn anzeigen? Es ist ja nichts passiert â Gott sei Dank.«
Johanna nickte gedankenverloren. »Eine Anzeige ⦠Der Kerl gehört wirklich angezeigt. Denn es ist sehr wohl etwas passiert, wenn auch in einem völlig anderen Sinne! WiÃt ihr, was ich inzwischen vermute? Der Aktienverkäufer war Friedhelm Strobels Handlanger! Gemeinsam haben sie euch reingelegt, haben euch die falschen Aktien angedreht und das gute Geld der Glasbläser dafür kassiert. Ich glaube, Strobel hat von Anfang an geplant, daà die Glasbläser alles verlieren! Vielleicht hat ihn auch erst das Zusammentreffen mit dir auf diese Idee gebracht, wer weiÃ. Denn als ihm klar wurde, wer du bist, wollte er dir eins auswischen, und vielleicht indirekt auch mir. Nun, das ist ihm gelungen. Was muà er sich ins Fäustchen lachen!«
»Oh«, sagte Anna mit leiser Stimme. Johanna warf ihr einen irritierten Blick zu.
»Du glaubst, Strobel â¦Â«, begann Wanda heiser.
Johanna nickte. »Seit Anna am Telefon Strobels Namen genannt hat, denke ich über nichts anderes mehr nach. Alles, was ich die ganzen Jahre erfolgreich verdrängt habe, ist wieder hochgekommen. Ganz gleich, wie ich die Fakten drehe und wende â ich komme immer wieder zum selben SchluÃ: Strobel hat euch hereingelegt!«
»Aber David Wagner â¦Â« Wanda schüttelte den Kopf. »Das würde ja bedeuten â¦Â« Fassungslosigkeit machte sich auf ihrem Gesicht breit. »Das kann ich nicht glauben. Nie und nimmer hat er sich an den Glasbläsern bereichert.«
Johanna holte tief Luft. »Entweder steckt dieser Herr Wagner mit Strobel unter einer Decke, oder er ist auch reingelegt worden!«
Anna schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Genau das werden wir herausfinden!«
Erstaunt schaute Johanna ihre Tochter an.
»Und wie sollen wir das anstellen?« fragte Wanda.
Annas junges Gesicht war zu einer so grimmigen Grimasse verzogen, daà es fast komisch aussah.
»Wir werden aus diesem Lügensumpf die Wahrheit herausziehen wie eine Rübe aus dem Boden!« Sie legte eine Hand auf Wandas Arm. »Ich helfe dir! Wir Steinmänner müssen doch zusammenhalten, oder? Aber â warum weint ihr denn jetzt?« fügte sie verständnislos hinzu.
48. K APITEL
Es war noch dunkel, als Wanda am nächsten Morgen erwachte. Eigentlich hätte sie müde sein müssen â tausend Gedanken waren stundenlang wie Ameisen durch ihrenKopf gekrabbelt, erst sehr spät war sie endlich eingeschlafen. Doch Wanda fühlte sich so frisch wie seit langem nicht mehr. Und es war noch ein neues, ungewohntes Gefühl in ihr: Sie hatte keine Angst mehr.
Sie hatte die schlimmsten Stunden ihres bisherigen Lebens hinter sich, und sie hatte diese Stunden überlebt. Es hatte Nächte gegeben, in denen sie glaubte, daà es kein Morgen mehr geben würde. Aber ob man nun wollte oder nicht â man lebte weiter. Die Uhren drehten sich weiter. Und das war gut so.
Wanda schwang beide Beine über den Bettrand.
Es war an der Zeit, etwas zu tun! Das war ihr bei Johannas Besuch klargeworden. Und solange Sylvie noch schlief, konnte sie schon einiges vorbereiten.
Nur mit einem Morgenmantel bekleidet, rannte sie durchs Zimmer und raffte alles mögliche zusammen. Dann schlich sie die Treppe hinunter. Wie jedesmal knarzte die zweite Stufe von oben. Wanda hielt den Atem an. Niemanden wecken! Sie muÃte noch ein Weilchen allein sein.
In der Küche angekommen, stellte sie mit Erleichterung fest, daà schon ein Feuer im Ofen glühte. Wahrscheinlich hatte sich Eva bei einem frühen Gang auf die Toilette darum gekümmert.
Während das Wasser warm wurde, setzte sich Wanda an den Tisch. Aus ihrer Morgenmanteltasche zog sie ein kleines Büchlein. Der Anblick rief schmerzliche Erinnerungen in ihr wach. Wie vertrauensvoll die Lauschaer ihr Geld an die neugegründete Genossenschaft übergeben hatten! Jede Summe war fein säuberlich in dem Büchlein
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