Das gläserne Paradies
gestorben!« Er lachte als einziger über seinen Witz.
»Hallo, Benno«, erwiderte Wanda. »Ich hätte gern die Suppe und â«
»Und ein Bier, wie immer, richtig? Alles bring ich dir, alles! Und selbstverständlich bist du Gast des Hauses!« rief Benno und warf einen Seitenblick auf David. Dann klopfte er Wanda so kräftig auf die Schulter, als sei sie ein besonders folgsames Pferd. »Also, ich muà schon sagen ⦠Was du heute getan hast â alle Achtung! Ganz Lauscha spricht darüber!«
David verstand überhaupt nichts.
»Könnten Sie mir mal erklären, was hier los ist?« fragte er, kaum daà der Wirt gegangen war.
Wanda lächelte. »Ganz einfach. Ich habe den Leuten das Geld zurückgegeben, das sie durch den Betrüger verloren haben.«
Staunend und sprachlos zugleich lauschte David Wandas Bericht, wie sie mit ihrem Körbchen von Haus zu Haus gegangen war. Wen sie getroffen hatte. Von der Ungläubigkeit der Menschen. Deren Betroffenheit. Der spröden Dankbarkeit, aber auch den unterschwelligen Aggressionen, die sie zu spüren bekommen hatte.
»Zuletzt war ich bei Karl dem Schweizer Flein. Ihn hat das Ganze am härtesten getroffen, das wissen Sie ja bestimmt.«
David zuckte mit den Schultern. »Er arbeitet nichtmehr in der Hütte, sondern für seinen Schwager, ist es nicht so?«
»Ja, genau. Stellen Sie sich vor: Trotz allem hat Maria â das ist seine Frau â mich sofort ins Haus gezogen und mir immer wieder versichert, daà mir niemand böse ist. Na ja, werâs glaubt â¦Â« Sie schüttelte den Kopf. »Seltsam war das ⦠Als ich Karl dann sah, war ich richtig erschrocken! Irgendwie habe ich fest damit gerechnet, daà er hinter der Glasbläserflamme am Bolg sitzt.« Wieder schaute sie auf. »Die meisten Heimgewerbetreibenden müssen auch sonntags arbeiten, das wissen Sie doch, oder?«
David nickte. Bei uns in Steinach ist das keinen Deut anders, hätte er ihr sagen können. Da stellen die Familien auch sieben Tage in der Woche Griffel her. Aber er wollte Wanda nicht unterbrechen.
»Aber ausgerechnet im Haus von Karl dem Schweizer Flein, einem Glasbläser durch und durch, brannte keine Flamme! Statt dessen saà er da, auf dem Tisch vor sich winzige Töpfchen mit Farbe und in einer Schachtel Pfeifenköpfe aus Porzellan ⦠Er selbst hat so getan, als wäre das alles nicht schlimm. Ob ich nun bei Strobel sitze und Christbaumkugeln blase oder für meinen Schwager Porzellan bemale â wo ist da der Unterschied? meinte er und lachte dabei.« Wanda schniefte geräuschvoll.
David schüttelte den Kopf. Eine leise Gänsehaut kroch über seinen Rücken. Was für ein stolzer Menschenschlag die Lauschaer doch waren!
Benno brachte Wandas Suppe, wies darauf hin, daà er eine Extrawurst hineingetan hatte, klopfte ihr dabei erneut auf den Rücken und wünschte ihr einen ganz besonders guten Appetit.
Endlich rief Bennos Frau ihn hinter die Theke, und sie waren wieder allein.
»Ob Benno noch etwas anderes von mir wollte?« Wanda runzelte die Stirn. Sie tunkte den Löffel in die Suppe und führte ihn zum Mund, hielt dann aber mitten in der Bewegung inne.
»Jedenfalls ⦠habe ich heute getan, was ich tun konnte. Oder besser gesagt: Ich habe überhaupt wieder einmal etwas getan! Und das ist ein richtig gutes Gefühl!«
»Woher haben Sie eigentlich das Geld?« Viel lieber hätte David gefragt, wie sie überhaupt auf den Gedanken gekommen war, die Lauschaer entschädigen zu müssen. Sie war doch nicht schuld an der Misere! SchlieÃlich handelte es sich um fast elftausend Mark â so viel Geld â¦
»Meine Mutter hat es mir geschickt. Es war ursprünglich für den Kauf eines Hauses gedacht, für Richard und mich. Aber daraus wird sowieso nichts.«
»Und das opfern Sie nun? Herrje, Sie haben durch diese elende Geschichte wirklich alles verloren«, sagte David. »Und ich â« Wie sollte er ihr je beibringen, daà für ihn am Ende sogar noch eine Beförderung angestanden hatte? Daà seine geheimsten Träume wahr geworden waren?
»Aber was ist mit Ihrem Verlobten? Ich meine, das Geld â hat er da nicht auch ein Wörtchen mitzureden?«
Während Wanda aÃ, erzählte sie ihm von der Auflösung ihrer Verlobung. Die Leichtigkeit, mit
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