Das gläserne Paradies
notiert.
Nach einer Viertelstunde hatte Wanda das Geld ihrer Mutter in lauter kleine Stapel aufgeteilt, sie in Briefumschläge gesteckt und diese mit Namen versehen.
Sie brühte rasch Kaffee auf, dann lief sie die Treppe wieder hoch, zog sich an, streckte ihrem Spiegelbild angewidert die Zunge heraus.
Du siehst schrecklich aus!
Mit ein paar Nadeln versuchte sie ihre Haare hochzustecken, doch immer wieder rutschten vorwitzige Strähnen heraus. So bald wie möglich würde sie sich einen Frisörbesuch leisten!
In einen gestreiften Rock und eine weiÃe Bluse gekleidet, auf dem Kopf einen kleinen Hut mit grünen Federn, in der Hand ein Weidenkörbchen, ging Wanda zurück in die Küche, aus der mittlerweile Stimmen zu hören waren.
»Ja, was â¦Â« Eva schlug die Hand vor den Mund, als habe sie einen Geist gesehen.
»Guten Morgen, Eva, der Kaffee ist schon fertig, hast du gesehen?« Wanda nickte in Richtung Kaffeekanne. »Hmm â wie das duftet! Von mir aus könnte Johanna ruhig jede Woche eine Dose Kaffee vorbeibringen.«
»Am heiligen Sonntag schon so früh zum Ausgehen hergerichtet?« fragte nun auch ihr Vater, der mit einem Glas Wasser in der Hand unrasiert und verstrubbelt am Küchentisch saÃ. »Hätte nicht gedacht, daà so eine Künstlerausstellung noch vor dem Gottesdienst beginnt.«
Wanda runzelte die Stirn. Kirche? Ausstellung? Sonntag? Sie schnaubte.
»Ach so ⦠Du glaubst doch nicht allen Ernstes, ich würde zu Richards Ausstellung fahren? Als ob mir gerade danach jetzt der Sinn stünde â¦Â« Noch während sie sprach, schenkte sie sich Kaffee ein.
Seltsam â daran, daà heute Richards »groÃer Tag« war, hatte sie bisher gar nicht gedacht. Nein, es tat nicht weh, und wenn, dann nur ein kleines biÃchen, stellte Wanda fest, als sie in sich hineinhorchte.
»Ich frage mich, was das Fräulein dann bewogen hat aufzustehen?« Eva stemmte beide Hände in die Hüften. »Da reden wir uns wochenlang vergeblich den Mund fusselig, und plötzlich taucht deine Tante auf, und du bist wie ausgewechselt â kannst du mir das bitte erklären?«
»Das ist doch jetzt unwichtig«, entgegnete Thomas unwirsch. »Hauptsache, Wanda geht es wieder besser. Obwohl ich auch gern wüÃte â¦Â« Stirnrunzelnd schaute er Wanda an. »Jetzt sag schon â was hast du vor?«
Wanda reckte ihr Kinn nach vorn, zeigte auf das Körbchen, in das sie die Briefumschläge mit dem Geld gelegt hatte, und holte tief Luft.
»Johanna hat mir die Augen geöffnet! Die Zeit des Jammerns ist nun endgültig vorbei. Heute werde ich das Unheil wiedergutmachen. Zumindest, soweit es in meiner Macht liegt«, fügte sie hinzu, und die Federn an ihrem Hut wippten dabei auf und ab.
49. K APITEL
»Wanda!«
Das konnte doch nicht sein! David stand abrupt von seinem Stuhl auf. Die anderen Besucher des Gasthauses schauten kurz hoch, um sich im nächsten Moment wieder ihren Gesprächen oder ihrem Essen zu widmen. Doch als sie sahen, wer im Türrahmen stand, war es plötzlich gleichgültig, ob die Suppe kalt wurde.
»Da ist die Amerikanerin â¦Â« »Die Amerikanerin â wer hätte das gedacht â¦Â« »Wanda!« »Die traut sich was â¦Â«
Auf Wandas Gesicht lag der Ausdruck eines gehetztenRehs, und für einen Moment befürchtete David, sie würde auf dem Absatz kehrtmachen. Mit angehaltenem Atem wartete er, bis Wanda die wenigen Schritte zu seinem Tisch zurückgelegt hatte. Seine Hand war feucht und kühl vom Bierkrug. Rasch wischte er sie an seiner Hose ab.
»David! Was machen Sie denn hier?« Wandas Hand war warm und trocken und so angenehm, daà David sie einen Moment zu lange hielt. Mit einem Räuspern lieà er sie schlieÃlich los.
»Möchten Sie sich nicht zu mir setzen?«
Zögernd schaute Wanda ihn an. »Daà ich Sie hier treffe â¦Â«
Einen Moment lang versanken ihre Blicke ineinander, dann sah Wanda rasch fort. David blinzelte.
»Bitte, Wanda, ich habe Ihnen etwas Wichtiges zu sagen! Etwas, das ⦠Ich â« Plötzlich hatte er zuviel Spucke im Mund und muÃte schlucken. Sie war ihm sicher böse. Sie wollte ihn sicher nicht sprechen!
Doch Wanda lächelte, drückte kurz seine Hand. »Gleich. Auch ich habe Ihnen einiges zu erzählen. Zuvor muà ich
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