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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Arm, und damit schien er zufrieden zu sein.
    Bei jedem Atemholen füllten sich ihre Lungen mit der glitzernd klaren Luft, wurden weiter und freier. Dieselbe Klarheit schien sich auch in ihrem Kopf auszubreiten. Der trübe Nebel, der sie gefangengehalten hatte, hatte sich endgültig gelichtet und diesem wundervollen Herbsttag Platz gemacht.
    O ja, es gab sehr wohl viele wichtige Dinge zu besprechen. Aber sie hatten Zeit. Hier und jetzt war nichts wichtig außer dem Wald, der Sonne und ihrer Hand auf Davids Arm. Der Scherbenhaufen, der vom gläsernen Paradies übriggeblieben war, war weit, weit weg.
    Wie in geheimer Absprache blieben beide im selben Moment stehen. Es war an einer der Stellen, an denen die Sicht nicht von der nächsten Kurve verdeckt wurde. Vor ihnen im Tal lag Steinach. Die mit Schiefer verkleideten Häuser wirkten in der goldenen Herbstsonne noch dunkler als sonst. Davids Zuhause …
    David stieß einen kleinen Pfiff aus. »Was für eine Aussicht!« Er brach einen kleinen Holunderzweig ab und begann diesen gedankenverloren zu zerrupfen.
    Â»Und das wortwörtlich«, sagte Wanda. »Dieser Platz hier wird von den Lauschaern ›Aussicht‹ genannt.« Sie kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, und deutete dann auf einen kleinen dunklen Punkt, der in der Ferne zu sehen war.
    Â»Ich frage mich, was das wohl ist? Eine Kirche?«
    Â»Ausnahmsweise kann ich Ihnen hier weiterhelfen«, erwiderte David lächelnd. »Wenn mich nicht alles täuscht, ist das die Basilika Vierzehnheiligen in Staffelstein. Und der kleine Schatten da, ein Stück weiter vorn« – er rückte näher an Wanda heran, um mit seinem ausgestreckten Arm ihren Blick zu lenken – »das könnte die Veste Coburg sein. Unglaublich, diese Fernsicht heute!«
    Wanda strahlte.
    Einen langen Moment genossen sie schweigend das großartige Panorama.
    Doch dann ließ ein Knacken Wanda zusammenzucken.
    David starrte auf den zerbrochenen Holunderzweig in seiner Hand und warf ihn mit Schwung weg. Ein Vogel, der in der Nähe nach Würmern gepickt hatte, flatterte erschrocken davon.
    Â»Strobel hat uns hereingelegt!«
    Â»Ich weiß«, erwiderte Wanda. »Meine Tante, Johanna Steinmann-Maienbaum, war gestern bei mir.« In kurzen Worten erzählte sie ihm von dem Gespräch, deutete die Vergewaltigung dabei allerdings nur an. »Johanna glaubt, daß Strobel durch mich eine Möglichkeit sah, sich an ihr zu rächen. Mit dieser Sache wollte er erneut eine von uns Steinmännern ins Unglück stürzen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Was ihm ja auch gelungen ist …«
    Sie machte ein paar Schritte, setzte sich auf einen umgestürzten Baumstamm. Ganze Armeen von kleinen Käfern marschierten über dessen schorfige Borke. Wandawischte einen besonders vorwitzigen, der ihren Rock erklimmen wollte, mit der Hand fort.
    David folgte ihr. Seine Hände zu Fäusten geballt, blieb er vor ihr stehen.
    Â»Dieses Schwein …« Er holte tief Luft. »Am liebsten würde ich ihn sofort aufsuchen und das letzte bißchen Luft aus seinem buckligen Leib prügeln!«
    Wanda lachte traurig auf. »Und dann? Wem wäre damit geholfen? Johanna sagt, es muß uns gelingen, Strobel seinen Betrug nachzuweisen, damit wir ihm die Hütte wegnehmen können. Das würde ihn richtig schmerzen!«
    David löste seine Fäuste, streckte die Arme aus, atmete abermals tief durch. »Vielleicht habe ich da was …«

    Atemlos lauschte Wanda Davids Schilderung, wie er in der Woche zuvor Dutzende von Hamburger Banken angerufen hatte. Bei jedem Telefonat hatte er sich als Friedhelm Strobels Bankier ausgegeben, der von seinem Kunden angewiesen worden war, Gelder von Hamburg nach Sonneberg zu transferieren.
    Â»Hamburg? Ich verstehe nicht ganz …«
    Â»Ganz zu Beginn hat Strobel mir gegenüber erwähnt, er habe den Tip bezüglich der Bremer Reederei von seiner Hamburger Bank bekommen. Als ich ihn am 18. September aufsuchte, hat er behauptet, eine Woche zuvor dieser Bank die Aktien von dem Berliner Privatier geschickt zu haben. Die Hamburger hätten ihn dann darüber aufgeklärt, daß es sich um Fälschungen handelt. Damals, in Strobels Geschäft, habe ich ihm diese Geschichte geglaubt. Aber in der Zwischenzeit sind mir Zweifel gekommen. Seine ganze Art, mit der Sache umzugehen …«

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