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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Meine Mutter hat den Fahrer für den ganzen Tag bezahlt. Und Geld für ein Mittagessen hat sie uns auch mitgegeben. Wir sind also bestens gerüstet!«
    Wanda nickte bestätigend. Annas Wangen waren vor Aufregung leicht gerötet, doch unter ihren Augen lagen dunkle Schatten.
    War es gestern bei Richards Ausstellung so spät geworden?
    Der Gedanke kam Wanda, ohne daß sie es verhindern konnte. Und wennschon!
    Eine Fensterscheibe als Spiegel nutzend, steckte sie ihren Hut am Haar fest. Es war derselbe, den sie am Vortag bei ihrem Gang durch Lauscha getragen hatte. Mit ihm fühlte sie sich für alles gewappnet.
    Sawatzky begleitete die beiden nach draußen und gab dem Kutscher Instruktionen für seine erste Fahrt.
    Â»Hier habe ich noch eine Adresse für Sie aufgeschrieben«, sagte Sawatzky und reichte Wanda einen zerknitterten Zettel. »Jean Blumeau. Er ist Restaurator für historische Bücher, seine Werkstatt liegt nur ein paar Straßen weiter. Hat schon einige Aufträge für mich erledigt. Ein Meister seines Fachs. Es gibt eigentlich nichts, was er im Zusammenhang mit Papier, Druck und Bindungen nicht weiß. Vielleicht solltet ihr ihn zuerst aufsuchen?«
    Ein Restaurator? Stirnrunzelnd steckte Wanda den Zettel ein.
    Â»Los geht’s!« rief sie, während sie in die Kutsche stieg. Die Federn ihres Hutes wippten heftig mit.
    Nichts und niemand konnte sie nun noch aufhalten! Natürlich würde es nicht leicht werden, denn keinDrucker würde zugeben: Ja, diese Fälschung habe ich gemacht, daran besteht kein Zweifel.
    Um etwas herauszufinden, würden sie subtil vorgehen und jede Regung ihres Gegenübers registrieren müssen, sich genauestens umschauen, sich Einzelheiten merken. Welche Einzelheiten eigentlich? Nun, das würde sich noch ergeben.
    Geschäftig stopfte Wanda die Decke, die der Kutscher Anna und ihr zugeworfen hatte, seitlich unter ihr Gesäß. Schließlich tat es nicht not, sich gleich bei ihrer ersten Erkundungsfahrt eine Erkältung zuzuziehen. Im selben Moment spürte sie, wie am anderen Ende der Decke ebenfalls gezogen wurde. Sie schaute auf und sah, daß sich Anna die Decke auf dieselbe Art und Weise zurechtlegte.
    Unwillkürlich mußten beide lachen.
    Â»Wie war es eigentlich gestern bei Richards Ausstellung?« fragte sie mit betont leichter Stimme. Dumme Kuh! schalt sie sich sofort. Hättest du nicht den Mund halten können?
    Â»Och, ganz gut«, erwiderte Anna in ebenso leichtem Ton. Doch dann verzog sie das Gesicht. »Um ehrlich zu sein: Es war furchtbar langweilig! Es waren lauter alte Leute da, alle sprachen nur im Flüsterton, gerade so, als würden sie die Glasfenster einer Kathedrale bewundern und nicht schlichte Vasen und Schalen und Teller!« Sie schüttelte den Kopf.
    Â»Schlichte Vasen und Teller – laß das mal nicht Richard hören«, erwiderte Wanda lachend.
    Â»Ach, Richard!« Anna machte eine abwehrende Handbewegung. »Der war in seinem Element. Dieser Täuber hat ihn von einem Grüppchen zum anderen geschleppt. Diener machen, Hände schütteln, Reden schwingen – ich wußte gar nicht, daß ihm so etwas liegt.«
    Â»In Richard ruhen eben ungeahnte Talente«, sagteWanda und erntete dafür einen scharfen Seitenblick von Anna. Abwehrend hob sie die Hände. »Nein, nein, ich meine das nicht böse!« Und das ist die Wahrheit, schoß es ihr durch den Kopf. Der Gedanke an Richard tat schon nicht mehr weh. Er war ihr gleichgültig geworden.
    Â»Dann ist’s ja gut«, knurrte Anna. Nach kurzem Schweigen fügte sie hinzu: »Richard war völlig mit sich und seiner Kunst beschäftigt. Ich glaube, er hat gar nicht gemerkt, daß ich überhaupt da war …« Auf einmal hörte sie sich nicht mehr mürrisch an, sondern so jung und verletzlich wie ein sechzehnjähriges Mädchen, das zum ersten Mal verliebt ist.
    Wanda kämpfte gegen den Impuls an, ihre Hand zu nehmen und zu tätscheln. So vertraut waren sie beide nun auch wieder nicht!
    Im nächsten Moment war sie froh über ihre Zurückhaltung, denn schon verhärteten sich Annas Gesichtszüge wieder, und sie sagte: »Na ja, an seinem großen Tag muß man ihm so etwas nachsehen. Aber normalerweise lasse ich nicht so mit mir umspringen! Doch das wird Richard bestimmt auch noch merken!« Ihr Lächeln hatte etwas sehr

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