Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
bestimmt wird Eva mir gern zeigen, wie –« Sie zuckte zusammen, als Ruth wütend mit dem Fuß aufstampfte.
    Â»Es reicht, Wanda!« Wie ein Derwisch fuhr ihre Mutter zu ihr herum.
    Â»Du weißt nicht, wie du den Ofen anmachen sollst. Dir fällt nicht einmal auf, daß du mit diesem Ofen nie wirst backen können, weil er nämlich gar kein Backrohr hat! Sollte dir je der Sinn nach Kuchenbacken stehen, wirst du diesen Kupfermodel – so heißt solch ein Ding nämlich – in der Hand durchs ganze Dorf ins Backhaus tragen müssen, so sieht es aus!« Während sie sprach, zählte sie die vermeintlichen Mißstände an den Fingern ihrer rechten Hand ab. Auf den Mittelfinger deutend, fuhr sie fort:
    Â»In diesem Haus ist es kalt wie in einem Keller, und das im Sommer! Ich möchte mir gar nicht erst vorstellen, wie sehr man hier im Winter friert! Und hier willst du mit Maries Tochter wohnen?« Den letzten Satz schrie sie fast. »Das …« Vor lauter Aufregung mußte Ruth schlucken.
    Krampfhaft suchte Wanda nach besänftigenden Worten. Ruths Besuch lief ganz und gar nicht so, wie sie es sich ausgemalt hatte. Er war … eine Katastrophe.
    Â»Im Winter heizt Richard täglich, dann ist es hier lauschig warm«, sagte sie leise.
    Ruth packte Wandas Hand und hielt sie fest umklammert.
    Â»Sei still und hör mir einfach zu, Kind!« Ihr Gesicht war nur noch eine Handbreit von Wandas Gesicht entfernt. Wanda konnte das Parfüm ihrer Mutter, das nach Lilien und Magnolien duftete, riechen.
    Â»Du kommst daher und erzählst mir etwas von ›ländlichem Chic‹ – daß ich nicht lache! Im Gegensatz zu dir kann ich solche alten Öfen zum Brennen bringen. Und im Gegensatz zu dir weiß ich, wie elend viel Holz sie benötigen. Und wie elend viel Dreck sie machen. Die Asche, der Staub – es gab Zeiten, da habe ich geglaubt, der Putzlumpen wäre an meinen Händen festgewachsen! Und im Gegensatz zu dir bin ich fast jeden Samstag meines Lebenszum Backhaus gelaufen, nicht nur mit einem Kuchen in der Hand, sondern mit vier Brotlaiben auf einem Leiterwagen. Sonst hätten wir in der kommenden Woche nichts zum Essen gehabt! Ländlicher Chic – eine erbärmliche Plackerei war das!« Abrupt ließ Ruth Wandas Hand wieder los. Ihr Blick irrte durch den Raum, als suche sie eine Fluchtmöglichkeit, doch dann ließ sie sich auf einem der hölzernen Stühle nieder.
    Â»Ein Glasbläser als Ehemann – im Augenblick mag dir das verlockend vorkommen, aber du ahnst nicht, wie sehr du dieses Leben eines Tages hassen wirst! So wie ich es gehaßt habe … Tagein, tagaus kein anderes Thema zu haben als Glas! Glas, Glas, Glas – ich bin dabei fast verrückt geworden!« Ihre Wut schien plötzlich wie Luft aus einem Blasebalg zu entweichen.
    Hilflos und zornig zugleich starrte Wanda die Mutter an. Nichts als Vorwürfe – das war wieder einmal typisch für Ruth. Und als nächstes würde sie in Tränen ausbrechen, damit Wanda nur ja ein schlechtes Gewissen bekam! Anschließend würde sie Migräne bekommen oder sie vortäuschen, um eilig zu Johanna hasten und sich ins Bett legen zu können. Ohne Richard auch nur zu Gesicht bekommen zu haben. Ohne über die Hochzeit überhaupt gesprochen zu haben.
    Aber nicht mit ihr! Das durfte sie dieses Mal nicht zulassen!
    Krampfhaft suchte Wanda nach passenden Worten, doch bevor ihr etwas einfiel, legte ihre Mutter erneut los.
    Â»Hast du schon einmal versucht, dir dein Leben in diesem Haus ganz praktisch vorzustellen? Ich meine, wie würde dein Alltag von morgens bis abends denn aussehen?«
    Zu Wandas Erstaunen war Ruths Stimme fest, nichtsdeutete darauf hin, daß sie sich in ihre Migräne flüchten wollte. Wanda zuckte mit den Schultern. Worauf will Mutter hinaus? fragte sie sich argwöhnisch.
    Â»Nun, im Grunde wäre ich eine Art Geschäftsfrau wie Johanna«, sagte sie vorsichtig. »Natürlich muß ich mich um Sylvie und den Haushalt kümmern, aber daneben werde ich Richard bei seiner Arbeit unterstützen und –«
    Â»Richard unterstützen! Wie, bitte schön, würde deine Hilfe denn aussehen? Du wärst ein Handlanger, mehr nicht! Was er hier an diesem uralten Bolg herstellt, kannst du doch nicht mit der Massenproduktion in Johannas Betrieb vergleichen. Dort ist sie die Chefin! Du

Weitere Kostenlose Bücher