Das gläserne Paradies
lieÃ, brachte Ruth sogar ein Lächeln zustande. Im selben Moment überfiel sie ein schrecklicher Gedanke: Sie und diese alte, ausgemergelte Frau waren im selben Alter! Du lieber Himmel! Was hatte solch grobe Spuren in Karlines einstmals hübschem Gesicht hinterlassen?
»Lang istâs her â¦Â«, sagte sie mit belegter Stimme. Und nach einer hastigen Verabschiedung zog sie ihre Tochter davon, bevor sie sich in weitere düstere Gedanken verstricken konnte.
Nein, das war nicht mehr ihre Welt, weià Gott nicht â¦
7. K APITEL
»Und wo ist jetzt dein Richard?«
»Keine Ahnung! Eigentlich ⦠Er weiÃ, daà wir heute kommen. Fast mache ich mir Sorgen ⦠Womöglich denkt er, wir treffen uns bei Vater.« Wanda strich fahrig durch ihr Haar und bià sich auf die Unterlippe.
Verflixt, warum war Richard nicht da?
»Vielleicht hast du Lust, noch ein bisschen spazierenzugehen?« fragte sie zögernd. »Wo doch so schönes Wetter ist â¦Â«
»Nur das nicht! Meine FüÃe â¦Â« Ruth winkte ab. Mitverschränkten Armen ging sie durch den Raum, übertrieben sorgsam darauf bedacht, nicht am Tisch, an der Kommode oder am Ofen anzuecken.
Wanda runzelte die Stirn. Ja, es war eng, aber â
»Hier werdet ihr also wohnen â Richard, das Kind und du.« Ruths Hand fuhr prüfend mal über die eine, mal über die andere Oberfläche, als wolle sie testen, wie sauber alles war.
Wanda nickte eifrig. Dem Himmel sei Dank hatte sie alles auf Hochglanz poliert! Gleichzeitig öffnete sie die hintere Tür, die in den winzigen Garten führte. Das hereinfallende Licht lieà den Raum etwas gröÃer wirken.
Ruth war inzwischen an Richards Bolg angelangt, der über und über mit Zeichnungen, halbfertigen Glasteilen und Rohlingen bedeckt war. Auch auf dem Boden rings um den Arbeitsplatz lag etliches Arbeitsmaterial.
Wanda räusperte sich. »Ich weiÃ, das mag alles auf den ersten Blick etwas ⦠einfach aussehen, aber ⦠ich bin nicht anspruchsvoll! Ganz im Gegenteil, ich finde diese kleinen Zimmer ausgesprochen heimelig. Und daà alles etwas abgenutzt ist, hat in meinen Augen sogar einen gewissen ländlichen Chick.« Dann machte sie eine Handbewegung, die den ganzen Raum einschloÃ. »Richards Möbel stammen noch von seinen Eltern. Gegenstände von Generation zu Generation zu vererben â dabei muà ich an den englischen Grafen denken, den Steven, ähm, ich meine Vater im letzten Sommer einmal eingeladen hatte. WeiÃt du noch? Der mit den drei Schlössern. Hatte er nicht auch erzählt, daà er die alten Erbstücke seiner Vorfahren nie gegen neugekaufte Möbel eintauschen würde?« Mit Genugtuung stellte Wanda fest, daà durch die offene Tür der Duft von frisch geschnittenem Gras hereinwehte. Gab es einen Menschen, der diesen Geruch nicht mochte?
Die Hände aneinanderreibend, ging Ruth zur Tür und stellte sich in den Lichtkegel, als wollte sie sich wärmen.
»Erlaubt es dein âºländlicher Chickâ¹, daà du deiner Mutter eine Tasse Kaffee anbietest, während wir auf deinen zukünftigen âºHerrn Gemahlâ¹ warten?« fragte sie mehr als ironisch.
Eilig lief Wanda zum Ofen. Verflixt, warum hatte sie nicht daran gedacht, Kaffee und Kuchen vorzubereiten? Eva hätte ihr bestimmt einen Kuchen gebacken! Die Hand schon an der Kaffeedose, hielt Wanda abrupt inne.
»Kaffee â«
»Keine Sorge, wenn es sein muÃ, trinke ich auch Zichorienkaffee, da bin ich nicht so verwöhnt. Solange es etwas Warmes ist ⦠Hier drinnen ist es ja zehnmal kälter als drauÃen!« Ruth klang inzwischen leicht ungeduldig.
Wanda schaute ihre Mutter kläglich an. »Kaffee wäre schon da ⦠Aber ehrlich gesagt ⦠Dieser Ofen ist ein wenig schwierig anzufeuern. Ich ⦠bin darin noch nicht so geübt, als daà ich â¦Â«
Ruth nickte, als verstünde sie vollkommen.
Wanda atmete auf. Doch ihre Erleichterung hielt nicht lange an.
»Und diese Backform hier â wie reizend!« Ruth zeigte auf die blankpolierte Kupferform über dem Herd. »Ich nehme an, du hast inzwischen gelernt, wie man darin Kuchen bäckt?«
Wanda runzelte die Stirn.
»Nun ja ⦠eigentlich nicht. Ich hatte bisher einfach noch keine Zeit für solche häuslichen Tätigkeiten. Aber
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