Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
ließ, brachte Ruth sogar ein Lächeln zustande. Im selben Moment überfiel sie ein schrecklicher Gedanke: Sie und diese alte, ausgemergelte Frau waren im selben Alter! Du lieber Himmel! Was hatte solch grobe Spuren in Karlines einstmals hübschem Gesicht hinterlassen?
    Â»Lang ist’s her …«, sagte sie mit belegter Stimme. Und nach einer hastigen Verabschiedung zog sie ihre Tochter davon, bevor sie sich in weitere düstere Gedanken verstricken konnte.
    Nein, das war nicht mehr ihre Welt, weiß Gott nicht …

7. K APITEL
    Â»Und wo ist jetzt dein Richard?«
    Â»Keine Ahnung! Eigentlich … Er weiß, daß wir heute kommen. Fast mache ich mir Sorgen … Womöglich denkt er, wir treffen uns bei Vater.« Wanda strich fahrig durch ihr Haar und biß sich auf die Unterlippe.
    Verflixt, warum war Richard nicht da?
    Â»Vielleicht hast du Lust, noch ein bisschen spazierenzugehen?« fragte sie zögernd. »Wo doch so schönes Wetter ist …«
    Â»Nur das nicht! Meine Füße …« Ruth winkte ab. Mitverschränkten Armen ging sie durch den Raum, übertrieben sorgsam darauf bedacht, nicht am Tisch, an der Kommode oder am Ofen anzuecken.
    Wanda runzelte die Stirn. Ja, es war eng, aber –
    Â»Hier werdet ihr also wohnen – Richard, das Kind und du.« Ruths Hand fuhr prüfend mal über die eine, mal über die andere Oberfläche, als wolle sie testen, wie sauber alles war.
    Wanda nickte eifrig. Dem Himmel sei Dank hatte sie alles auf Hochglanz poliert! Gleichzeitig öffnete sie die hintere Tür, die in den winzigen Garten führte. Das hereinfallende Licht ließ den Raum etwas größer wirken.
    Ruth war inzwischen an Richards Bolg angelangt, der über und über mit Zeichnungen, halbfertigen Glasteilen und Rohlingen bedeckt war. Auch auf dem Boden rings um den Arbeitsplatz lag etliches Arbeitsmaterial.
    Wanda räusperte sich. »Ich weiß, das mag alles auf den ersten Blick etwas … einfach aussehen, aber … ich bin nicht anspruchsvoll! Ganz im Gegenteil, ich finde diese kleinen Zimmer ausgesprochen heimelig. Und daß alles etwas abgenutzt ist, hat in meinen Augen sogar einen gewissen ländlichen Chick.« Dann machte sie eine Handbewegung, die den ganzen Raum einschloß. »Richards Möbel stammen noch von seinen Eltern. Gegenstände von Generation zu Generation zu vererben – dabei muß ich an den englischen Grafen denken, den Steven, ähm, ich meine Vater im letzten Sommer einmal eingeladen hatte. Weißt du noch? Der mit den drei Schlössern. Hatte er nicht auch erzählt, daß er die alten Erbstücke seiner Vorfahren nie gegen neugekaufte Möbel eintauschen würde?« Mit Genugtuung stellte Wanda fest, daß durch die offene Tür der Duft von frisch geschnittenem Gras hereinwehte. Gab es einen Menschen, der diesen Geruch nicht mochte?
    Die Hände aneinanderreibend, ging Ruth zur Tür und stellte sich in den Lichtkegel, als wollte sie sich wärmen.
    Â»Erlaubt es dein ›ländlicher Chick‹, daß du deiner Mutter eine Tasse Kaffee anbietest, während wir auf deinen zukünftigen ›Herrn Gemahl‹ warten?« fragte sie mehr als ironisch.
    Eilig lief Wanda zum Ofen. Verflixt, warum hatte sie nicht daran gedacht, Kaffee und Kuchen vorzubereiten? Eva hätte ihr bestimmt einen Kuchen gebacken! Die Hand schon an der Kaffeedose, hielt Wanda abrupt inne.
    Â»Kaffee –«
    Â»Keine Sorge, wenn es sein muß, trinke ich auch Zichorienkaffee, da bin ich nicht so verwöhnt. Solange es etwas Warmes ist … Hier drinnen ist es ja zehnmal kälter als draußen!« Ruth klang inzwischen leicht ungeduldig.
    Wanda schaute ihre Mutter kläglich an. »Kaffee wäre schon da … Aber ehrlich gesagt … Dieser Ofen ist ein wenig schwierig anzufeuern. Ich … bin darin noch nicht so geübt, als daß ich …«
    Ruth nickte, als verstünde sie vollkommen.
    Wanda atmete auf. Doch ihre Erleichterung hielt nicht lange an.
    Â»Und diese Backform hier – wie reizend!« Ruth zeigte auf die blankpolierte Kupferform über dem Herd. »Ich nehme an, du hast inzwischen gelernt, wie man darin Kuchen bäckt?«
    Wanda runzelte die Stirn.
    Â»Nun ja … eigentlich nicht. Ich hatte bisher einfach noch keine Zeit für solche häuslichen Tätigkeiten. Aber

Weitere Kostenlose Bücher