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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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herausgewachsen. Ihre Kleidung glich der von Johanna – sie war praktisch, absolut unmodern und langweilig. Nichts erinnerte mehr an das strahlende junge Mädchen, das auf jedem gesellschaftlichen Parkett New Yorks allein durch seine Anwesenheit geglänzt hatte.
    Wie kannst du dich in solch einer schwierigen Situation an Äußerlichkeiten festbeißen!, schimpfte sie im stillen mit sich. Wanda hatte in den letzten Wochen weiß Gott andere Probleme gehabt, als sich auf die Suche nach einem Frisiersalon zu machen.
    Â»Ach, Kind«, sagte Ruth traurig, während sie ihre Füßewieder in die zu engen und zu hohen Schuhe quetschte. »Ich muß mich an einiges hier erst wieder gewöhnen …«
    Â»Aber das mußt du doch gar nicht!« rief Wanda übertrieben euphorisch. »Lauscha ist dein Zuhause, deine Heimat!« Sie zupfte an Ruths Ärmel. »Schau, der Kirschbaum von Karl dem Schweizer Flein mit all seinen winzigen Früchten – ist das nicht ein wunderbarer Anblick?«
    Ruth verzog das Gesicht. Wunderbar? Wenn sie an die mühselige Ernte dachte und daran, daß Karls Frau all die Tonnen von Obst würde zu Marmelade kochen müssen, konnte sie daran nichts Wunderbares finden.
    Sie hatte eine entsprechende Bemerkung schon auf den Lippen, doch sie schwieg. Es tat nicht not, sich schon jetzt mit Wanda zu zerstreiten. Nein, sie würde sich Richard Stämme, sein Haus und sein Geschäft ruhig und ohne Vorurteile anschauen. So, wie Steven es vorgeschlagen hatte. Und danach würde sie eine Entscheidung über Wandas Zukunft fällen.
    Â»Hallo? Hallo!« Eine laute Stimme schreckte Ruth aus ihren Überlegungen. Im nächsten Moment stand eine ältere Frau vor ihr, einen Malpinsel in der linken, ein Küchentuch in der rechten Hand. Ihre Wangen waren mit Glitzerstaub bepudert – bestimmt war die Frau gerade dabei, irgendwelche Glaswaren zu bemalen und zu verzieren.
    Â»Ja, glaub ich’s denn! Die Ruth!«
    Bevor Ruth etwas tun oder sagen konnte, spürte sie fremde Arme um sich, hatte sie den modrigen Geruch von Mottenkugeln in der Nase. Sie atmete auf, als die Frau sie endlich wieder freigab.
    Â»Schön, dich zu sehen«, sagte sie, ohne die geringste Ahnung zu haben, wer da vor ihr stand. Hastig lehnte sie die Einladung, doch auf einen kurzen Besuch ins Haus zu kommen, ab.
    Â»Die Ruth – wer hätte das gedacht …«
    Ruth lächelte säuerlich. Daß ihr Besuch in Lauscha Dorfgespräch war, wußte sie. Seit ihrer Ankunft hatte es ständig an der Tür geklopft – Nachbarn, Arbeiterinnen der Glasbläserei Steinmann-Maienbaum. Keiner sprach den alten Skandal um ihre Scheidung an, statt dessen wollten sie erfahren, wie Ruths Leben in New York aussah, warum ihr Mann nicht mitkommen konnte und so weiter. Das Interesse der Leute war echt, ohne Neid oder Mißgunst. Die Jahre in der Fremde schienen Ruth bekommen zu sein, war ihr Fazit. Eine ähnlich freundliche Bemerkung machte nun auch die fremde Frau.
    Â»Seid ihr auf dem Weg zu Thomas? Oder zu der kleinen Sylvie? Was für ein goldiges Ding! Und wie sie der Mutter ähnlich sieht, ganz die Marie, hab ich gesagt, nicht wahr, Wanda?«
    Im Geist verdrehte Ruth die Augen. In Lauscha wußte wirklich jeder über jeden Bescheid.
    Während Wanda der Frau erklärte, daß sie auf dem Weg zu Richard seien, kramte Ruth weiter in ihrem Gedächtnis. Noch immer hatte sie keine Erinnerung an das Gesicht. Wer war die Frau, die so vertraulich tat?
    Â»Wir haben im selben Jahr geheiratet, deine Mutter und ich«, erzählte die Frau, an Wanda gewandt. »Aber bei mir hat’s gehalten … Viel hat sich bei uns also nicht geändert …«
    Im selben Jahr geheiratet? Seitdem nichts geändert? Ruth konnte den zufriedenen Gesichtsausdruck der Frau nicht verstehen. War es denn nicht furchtbar, daß sich nichts geändert hatte?!
    Schon ergriff die gesprächige Frau erneut das Wort.
    Â»Wanda, weißt du eigentlich, daß deine Mutter und ich auch zusammen in der Schule waren? An einem Pulthaben wir gesessen, erinnerst du dich noch, Ruth?« Mit roten Wangen und erwartungsvollem Blick schaute die Frau Ruth an.
    Karline Müller! Ihre Banknachbarin. Und jetzt eine von Johannas Bemalerinnen.
    Heute hieß sie Karline Braun. Vor lauter Erleichterung darüber, daß ihr Gedächtnis sie doch nicht völlig im Stich

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