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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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war sie nur für ein Luder! Wie sie da auf dem Stuhl stand, vor lauter Gezappel fast die Balance verlierend, mit wild vom Kopf abstehenden Haaren. Und wie ihre Augen funkelten! Ha, das Mädel hatte Feuer im Hintern, soviel war gewiß! Wenn er nicht so wütend auf sie gewesen wäre, hätte er fast so etwas wie Bewunderung für sie empfinden können. Aber verflixt, warum konnte sich die Junge nicht einfach mit gewöhnlichem Weiberkram abgeben wie andere auch? Warum mußte sie sich ständig in geschäftliche Dinge einmischen, die sie nichts angingen? Hatte er sie nicht vor genau solchen Aktionen gewarnt? »Du bist nicht die Allheilbringerin für Lauscha« – er hatte seine Worte noch genau im Ohr!
    Lernte man solch forsches, aufdringliches Verhalten etwa in Amerika? Dort würden wahrscheinlich alle laut »Hurra!« schreien und Wanda applaudieren. Aber Lauscha war nicht Amerika. In Lauscha liefen die Uhren anders. Langsamer. Wenn sie überhaupt liefen.
    Eine halb ärgerliche, halb erheiterte Grimasse erschien auf Thomas’ Gesicht.
    Obwohl er nach dem Abendessen so müde gewesen war, daß ihm nichts verführerischer erschien, als in sein Bett zufallen, hatte er sich aufgerafft, um in den »Schwarzen Adler« zu gehen. Nachdem sich Wanda bei Brot und Käse derart hitzig über ihren Besuch der Gründler-Hütte ausgelassen hatte, war ihm klar gewesen, daß die Sache für sie noch lange nicht abgeschlossen war – so gut kannte er seine Tochter inzwischen. Deshalb saß er hier, allerdings ohne die geringste Idee, was er mit seiner Tochter oder deren Vorwitz tun sollte.
    Â»Sag mal, hast du davon gewußt?« zischte Richard ihm ins Ohr. Wütend versuchte er, Wandas Blick auf sich zu lenken, aber entweder sah sie ihn tatsächlich nicht, oder sie zog es vor, ihren zukünftigen Ehemann einfach zu ignorieren.
    Â»Natürlich wußte ich, daß Wanda heute in der Glashütte war – sie hat uns allen ausführlich von ihren Eindrücken erzählt. Wenn du heute mal bei uns vorbeigeschaut hättest, wüßtest auch du Bescheid«, erwiderte Thomas betont gleichgültig.
    Â»Nein, ich meine das hier!« Richard fuchtelte ungeduldig mit den Händen. »Hast du davon gewußt?«
    Thomas zuckte unverbindlich mit den Schultern. »Was weiß man bei den Weibern schon?«
    Kopfschüttelnd wandte sich Richard ab.
    Â»Es geht darum, etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen. Flagge zu zeigen! Dem Gegenüber klarzumachen, daß man sich nicht alles gefallen läßt.«
    Thomas sah, wie alle um ihn herum die Stirn runzelten, und bewunderte Wanda, die ungerührt weitersprach.
    Â»Vor einiger Zeit, in New York, hat es einen Aufstand von jungen Fabrikarbeiterinnen gegeben. Näherinnen waren es, die sich zusammengetan haben, um etwas gegen ihre jämmerlichen Arbeitsbedingungen zu unternehmen. Und es hat funktioniert! Ihre Lage wurde tatsächlichbesser!« Wanda strahlte in die Runde. »Wenn alle an einem Strang ziehen, dann – huch!« Heftig ruderte sie mit den Armen, um auf dem wackeligen Stuhl ihr Gleichgewicht wiederzufinden.
    Thomas gab Gustav Müller Sohn, der Wanda am nächsten saß, ein Zeichen, den Stuhl festzuhalten.
    Â»Aber nicht alle von uns sind in der Gründler-Hütte beschäftigt. Und wir anderen haben unsere eigenen Sorgen!« rief jemand aus der Menge, bevor Wanda ihren Satz beenden konnte.
    Â»Genau!« schrie einer der Stammtischbesucher. »Jeder sollte am besten vor seiner eignen Hütte kehren!« Beifallheischend schaute er in die Runde. »Ich frage mich, warum wir uns dieses Geplapper überhaupt noch länger anhören! Von einem Weib! Aus Amerika! Hat wahrscheinlich noch keinen Tag in ihrem Leben gearbeitet, kommt daher und will uns was erzählen …« Obwohl er die letzten Worte in seinen Bart hineinmurmelte, hörte Thomas sie sehr wohl.
    Â»Paß auf, was du sagst«, fuhr er den Mann an. »Du redest von meiner Tochter!«
    Â»Schon gut, schon gut!« wehrte der Mann mit erhobenen Händen ab.
    Richard schaute krampfhaft in seinen Krug, in dem nur noch eine Pfütze Bier schwamm. »Warum muß sie sich so lächerlich machen?« murmelte er verzweifelt.
    Â»Hast dir ’ne kleine Aufrührerin geangelt, was?« kicherte Jockel. Er verpaßte Richard einen Stoß in die Rippen. »Sag mal, kommt sie dir auch schon

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