Das gläserne Paradies
sagte Karl und wies über seine Schulter nach hinten. Im Schatten der Linde standen Gustav Müller Sohn und Martin Ehrenpreis.
»Was ist? Haben wir etwas falsch gemacht?« fuhr Eva die Männer an. Trotz der Schärfe in ihrer Stimme sahWanda ihr an, daà sie sich unwohl fühlte. »Wir haben unser Brennholz selbst mitgebracht, glaubt ja nicht, daà wir auf Gemeinkosten backen!«
Karl der Schweizer Flein schüttelte unwirsch den Kopf.
»Wir sind wegen Wanda hier! Dein Vater sagte uns, daà du im Backhaus bist. Es ist nämlich so â¦Â« Hilfesuchend drehte er sich zu seinen Kollegen um, doch die nickten ihm nur auffordernd zu.
»Was die Gründler-Hütte angeht ⦠Wir haben uns das noch mal durch den Kopf gehen lassen â¦Â«
Wanda runzelte die Stirn. »Ja?«
»Also, wir wären bereit, es zu wagen!«
18. K APITEL
»Und dann hat er mir das Geld in die Hand gedrückt und gemeint, er, Gustav Müller Sohn und Martin Ehrenpreis wären auch bereit, als erste in die Genossenschaft einzusteigen.«
Mit zittriger Hand hielt Wanda Richard ein hölzernes Kistchen entgegen. Darin befanden sich lauter Bündel schmutziger Banknoten. Dann zeigte sie auf das kleine Notizbuch, das sie zusammen mit dem Geld in dem Kistchen aufbewahrte.
»Karl hat fein säuberlich notiert, wer wieviel gezahlt hat.« Die krakelige Schrift, die exakte Art, in der die Linien zwischen den einzelnen Beträgen und Namen gezogen worden waren, rührten Wanda sehr.
»Die haben wirklich alles gegeben, was sie besitzen. Ihre ganzen Rücklagen, die ganze Barschaft ⦠Manchescheinen mit dem Verkauf von Christbaumkugeln gar nicht so schlecht zu verdienen.« Sie schluckte. Gleichzeitig warf sie einen Blick auf den Kinderwagen, aus dem leise Jammergeräusche kamen. Das Kind gehörte eigentlich längst ins Bett. Aber da Eva ihren Verwandten in Steinach einen Besuch abstattete, war Wanda nichts anderes übriggeblieben, als die Kleine mit zu Richard zu nehmen.
Sie hatte eigentlich erwartet, daà er zum Abendessen bei ihnen vorbeischauen würde. Als er nicht auftauchte, hatte sie das Kind und ihre Unterlagen in den Kinderwagen gepackt und war zu ihm gelaufen. Er muÃte die wundervolle Nachricht doch von ihr erfahren!
Doch Richard sah aus, als könne er die wundervolle Nachricht noch immer nicht glauben. Oder als wolle er sie nicht glauben.
»Und dann ist Karl tatsächlich mit den anderen durchs Dorf gezogen und hat weitere ⦠Kaufinteressenten geworben?« fragte er stirnrunzelnd.
Wanda nickte. Sie hob die weinende Sylvie aus dem Wagen und wiegte sie sanft. Sofort beruhigte sich das Kind.
»Und alle hat er zu mir geschickt. Da die ganze Sache meine Idee gewesen sei, wäre es nur recht, wenn bei mir die Fäden zusammenliefen, hat er gemeint. AuÃerdem sei ich sozusagen eine âºneutraleâ¹ Person, mir würden die Leute ihr Geld gern anvertrauen â¦Â« Sie lachte. Ihr Blick fiel auf den abgewetzten Flickenteppich zu ihren FüÃen, und ihr Mund verzog sich. Leider, leider würde sie in naher Zukunft nun doch keine Zeit haben, sich um die Verschönerung von Richards Hütte zu kümmern.
»Die drei ⦠Sie müssen wie Marktschreier durchs Dorf gegangen sein!« Noch immer war ihrer Stimme die Verwunderung anzuhören. »Unsere Tür stand nicht mehr still, den ganzen Nachmittag kamen Leute! Ach Richard,wenn du das erlebt hättest!« Wanda schloà für einen Moment die Augen.
»Ich wuÃte ja, daà die Leute noch immer über deinen Vorschlag reden, aber daà sie tatsächlich ernsthafte Pläne schmieden â¦Â« Richard schüttelte den Kopf. »Davon habe ich nichts mitbekommen.«
Wanda versetzte ihm einen freundschaftlichen Knuff. »Hätten sie dich erst um Erlaubnis fragen sollen? Ist es das, was dich so sauertöpfisch gucken läÃt? Du wolltest doch nichts mit der Sache zu tun haben, das hast du selbst gesagt.« Sie hob Sylvie in die Höhe, um an ihrem dick eingepackten Hinterteil zu schnuppern. Grrr â es war wieder soweit! Mit einem Seufzer stand Wanda auf und suchte in ihrer Tasche nach einer frischen Windel.
»Und daran hat sich auch nichts geändert!« sagte Richard laut. Er blätterte das Notizbuch durch. »Christoph Stanzer, Oskar Hille, Gustav Müller Sohn, Griseldis â das sind ja mindestens zwanzig
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