Das gläserne Paradies
einen Stuhl heran und lieà sich nun ebenfalls nieder. Seine körperliche Nähe war Wanda zum ersten Mal unangenehm. Ihr wäre es lieber gewesen, wenn er weiter wie ein Löwe durchs Zimmer gelaufen wäre.
»Wanda, nimm bitte Vernunft an! Das hast du doch gar nicht nötig â¦Â« Er versuchte, ihre Hand zu ergreifen, doch Wanda entwand sich seiner Berührung.
»Es geht doch nicht darum, daà ich etwas nötig habe oder nicht«, fuhr sie ihn an. »Es geht darum, daà inLauscha etwas Wunderbares geschieht und du nur daran herummeckerst. Freust du dich denn gar nicht an dem Mut, den die Leute an den Tag legen?«
»Mut hin oder her â ich sage ja nur, daà dich die ganze Sache nichts angeht!« erwiderte Richard heftig. »Wird eh nichts draus werden«, murmelte er noch vor sich hin.
Wanda schnaubte verächtlich. »Du redest wie ein alter Mann! Schlimmer noch als Vater, als ich ihn zum ersten Mal getroffen habe. Das kann nie gutgehen, das wird ein böses Ende nehmen â¦Â«, äffte sie mit leidender Stimme nach. »Es sind immer nur wenige, die das Rad der Welt ein Stückchen weiterdrehen. Ich habe eigentlich gedacht, daà du auch zu diesen Menschen gehörst â dein eigenes Schicksal nimmst du ja sehr mutig in die Hand. Aber wehe, andere wagen diesen Schritt ebenfalls. Und wehe, ich gehöre dazu!« Ihre Augen funkelten wie zwei kleine Kohlenfeuer. Erneut stieg Wut in ihr auf, sie spürte, wie sich tausend Stacheln in ihr â und gegen ihn â aufrichteten.
Er hatte ihre Hilfe ja nicht gewollt! Wenn es nach ihm ginge, würde sie ihre Zeit mit Haushalt und Handarbeiten verbringen. Gleichzeitig ärgerte ihn, daà andere ihr mehr zutrauten â warum nur?
Wanda verstand gar nichts.
»Wanda, Wanda â¦Â« Richard schüttelte den Kopf. Ein fast unmerkliches Lächeln huschte über seine Lippen. »Ich will doch nur, daà es dir gutgeht! Daà du das Leben wie einen Stier bei den Hörnern packst, weià ich längst, mir brauchst du nichts zu beweisen und auch sonst niemandem. Schau doch nur, wie gut du mit Sylvie zurechtkommst. Wie hilfreich du für deinen Vater bist.«
Diesmal lieà Wanda es zu, daà er ihre Hand nahm. Und was bin ich für dich? wollte sie ihn fragen. Was läÃt du mich für dich tun? Aber sie schwieg.
»Warum willst du dir unbedingt noch eine weitere Aufgabe aufladen?«
Sie schaute ihn an, hörte und sah die ehrliche Frage in seinem Gesicht. Wurde ruhiger. Er war nicht ihr Feind. Er war Richard, der Mann, den sie liebte. Und der sie ebenfalls liebte. Der es gut mit ihr meinte. Trotz allem â¦
»Weil â¦Â« Sie zuckte mit den Schultern. »Weil â¦Â«
»Ein Handlanger wirst du sein, mehr nicht!« Prompt hatte sie die Stimme ihrer Mutter wieder im Ohr.
Bevor sie die Worte fand, winkte Richard ab.
»Schau, nächstes Jahr wirst du meine Frau sein, einen eigenen Haushalt führen, und Sylvie wird bestimmt bald ein Geschwisterchen bekommen. Wenn nach der Ausstellung die Kunstliebhaber hierherströmen, muà sich jemand um sie kümmern. Sie bewirten, ihnen nette Worte ins Ohr flüstern, damit sie kräftig kaufen! Wer könnte das besser als meine schöne Amerikanerin?« Er lachte. »Einer muà mir schlieÃlich den Rücken freihalten! Besser, du gewöhnst dich schon jetzt an den Gedanken, daà du dann für andere Träumereien keine Zeit mehr haben wirst!«
»Träumereien! Also wirklich, ich â«
»Schon gut, laà uns nicht erneut Wortklauberei betreiben«, unterbrach Richard sie, bevor Wanda sich weiter aufplustern konnte. »Und was die Sache mit der Gründler-Hütte angeht: Wenn es dir so wichtig ist, bewahrst du das Geld für Karl und die anderen halt auf, bis sie zur Bank gehen. Und damit, so hoffe ich, hat sich die Sache dann erledigt. Und wir können uns vielleicht wieder einmal anderen Dingen widmen â¦Â« Mit einem Lächeln, das wohl aufmunternd sein sollte, das Wanda aber irgendwie als tadelnd empfand, nahm er sie in die Arme. Wanda hatte Mühe, seine Nähe zu genieÃen, zu eng war seine Umklammerung, zu aufgesetzt seine Zärtlichkeit. Wie einVater, der ein Kind tröstet, aber eigentlich Besseres mit seiner Zeit anzufangen weiÃ, ging es ihr durch den Kopf, und sie schalt sich für diesen ungnädigen Gedanken.
Richards Wunsch
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