Das gläserne Paradies
nicht mehr wahr. Einmal hatte sie es gewagt, von hinten an ihn heranzutreten und ihm die Arme um die Schultern zu legen. Ein biÃchen kuscheln, einander herzen â zu mehr kamen sie doch sowieso nicht, wo scheinbar alle Wände Augen und Ohren hatten. Aber Richard war zusammengezuckt, hatte sie sanft zurückgeschoben. »Das wäre jetzt fast schiefgegangen«, sagte er und zeigte auf das Werkstück, das er gerade ins Feuer hielt.
Das Werkstück, natürlich.
Glas.
Wie sollte sie dagegen ankommen?
Wanda war gegangen. Am Abend hatte er sie dann aufgesucht, sie um Verständnis gebeten. Es sei eine schwierige Zeit, für sie beide, sagte er, aber wenn die Ausstellung erst einmal eröffnet wäre, würde er auch wieder mehr Zeit für sie haben.
Werâs glaubt, wird selig, hätte Wanda am liebsten spöttisch geantwortet. Es war doch alles eine Frage der Zeiteinteilung, oder? Warum konnte Richard nicht abends einfach seine Arbeit ruhenlassen? So wie andere Glasbläser das auch taten? Wieso muÃte er halbe Nächte durcharbeiten?
Weil die Arbeit für ihn gar keine Arbeit war, sondern Vergnügen, beantwortete Wanda ihre Frage selbst.
Sie war so in ihre Gedanken vertieft, daà sie zusammenzuckte, als sie einen Stups in die Rippen bekam.
»Guck mal, sieht das nicht aus, als ob gelbe Flöhe über den Boden hopsen?«
Skeptisch schaute Wanda auf die orangefarbenen Glutsprenkel, die von den niedergebrannten Buchenscheiten noch übrig waren.
»Sieht eher so aus, als ob das Feuer bald erlischt, oder?«
»Papperlapapp! So ist es genau richtig. Beim Brotbacken muà man Geduld haben, meine Liebe! Und dann darf man den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen!« Eilig rannte Eva zwischen Tisch und Ofen hin und her, um ein Brot nach dem anderen in den Ofen zu schieben. »EinschieÃen« nannte sie das.
Wanda schaute zu. Sie hatte es längst aufgegeben, Eva zu helfen: Bevor sie ihre Hände gewaschen hatte, steckten Evas längst in der Teigschüssel. Als sie am Vorabend den Teig ansetzten, hatte sie natürlich auch kneten wollen, doch schon bald muÃte sie mit Entsetzen feststellen, wie anstrengend diese Arbeit war. Keine fünf Minuten später zitterten ihre Oberarme so sehr, daà Eva wieder übernahm. Als es daranging, den Teig zu portionieren, war Eva dreimal so schnell wie Wanda, die Mühe hatte, die Hände aus der klebrigen Masse zu ziehen.
Brotbacken war anstrengend und langwierig. Und nichts für sie â zu diesem Schluà war Wanda inzwischen gekommen. Eigentlich hatte sie sich das Brotbacken als gesellige Angelegenheit vorgestellt: ein paar Frauen, die gemeinsam buken und dabei lachten und sich unterhielten. Wanda hatte sich auÃerdem vorgestellt, daà in der Zeit, in der der Teig ruhen muÃte, eine Brotzeit gemacht wurde, zu der jede der Bäckerinnen etwas beisteuerte: ein Krug Most von der einen, etwas Wurst von der anderen, eineSchüssel mit Stachelbeeren noch dazu ⦠Das wäre eine gute Möglichkeit gewesen, die jungen Frauen des Dorfes etwas näher kennenzulernen. Womöglich hätte sie dabei sogar eine Freundin gefunden?
Statt dessen muÃte sie sich in dieser Gluthitze mutterseelenallein Evas Ansichten über gutes und schlechtes Brot anhören. Selbstredend war Evas Brot das beste, während die anderen Frauen des Dorfes nur pappiges, fades Zeug zustande brachten.
»Du kennst doch Maria, die Frau von Karl dem Schweizer Flein, oder?« rief Eva über ihre Schulter, während sie den Tisch mit einem nassen Lumpen sauberwischte.
Ein Gähnen unterdrückend, nickte Wanda.
»Also, die Maria ⦠Statt zu kneten, wirbelt sie â¦Â«
Wandas Lider wurden immer schwerer. Sie zuckte zusammen, als ihr die Augen zufielen.
»⦠unförmig sind die Laibe, unförmig wie â¦Â«
Ob Eva ihr wohl böse wäre, wenn sie sich ein biÃchen zu Sylvie unter die Linde legen würde? Sie beschloÃ, erst gar nicht zu fragen, sondern sich einfach aus dem Backhaus zu schleichen.
Die Türklinke schon in der Hand, schrie sie auf.
»Du lieber Gott â Karl! Also ⦠wir scheinen ja jetzt wohl ständig in Türrahmen zusammenzuprallen!« Wanda lachte gekünstelt und zu laut.
Wie ernst er aussah! Fast grimmig. Hoffentlich hatte Karl nicht mitbekommen, wie Eva die Backkünste seiner Frau niedermachte!
»Ich bin nicht allein da«,
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