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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Handtasche und stand auf.
    Â»Es ist sehr freundlich von Ihnen, sich bis morgen in unserer Sache zu erkundigen. Punkt drei Uhr werden wir also hiersein. Vielleicht komme ich aber auch allein …«, fügte sie mit einem giftigen Blick in Richtung der Männer noch hinzu.

23. K APITEL
    Die Jahre hatten es nicht gut gemeint mit Friedhelm Strobel. Wer ihn durch die Straßen Sonnebergs hetzen sah, erblickte einen alten, mürrisch dreinschauenden, hageren Mann mit leicht unregelmäßigem Gang. Daß er sein linkes Bein ein wenig nachzog, verdankte er einer Schlägerei, der er vor vielen Jahren zum Opfer gefallen war. Aber es lag nicht an seinem Bein, daß sein Gesicht an diesem Tag zu einer Grimasse verzogen war.
    Er haßte die Hitze. Wenn andere Leute aufblühten, das schöne Wetter lobten und den Sonnenschein, überfiel ihn der Drang, den Redner zu verprügeln. Was war schön an Tagen, an denen das grelle Licht die müde gewordenen Augen tränen ließ? Was war schön am penetranten Schweißgeruch, der einen umwehte, ganz gleich, ob man allein war oder in Gesellschaft anderer? Und was war schön an geschwollenen Füßen, an vom Schweiß aufgeweichter Haut im Nacken und einem feuchten Händedruck?
    Solche Tage verbrachte man am besten im abgedunkelten Haus.
    Statt dessen mußte er sich abhetzen, um nicht noch später zu seinem Banktermin zu kommen! Elende Rennerei, und wem hatte er das zu verdanken?
    Wie selbstgefällig der Einkäufer des Münchner Kaufhauses bei ihm gesessen hatte! Jahrelang hatte er Glaswaren mit Fadenmuster nur allzugern auf seine Bestelliste gesetzt! Aber plötzlich meinte er, das Muster sei nicht mehr »en mode«.
    Strobel schnaufte. Altmodisches Muster – von wegen! Dem Burschen war es doch von Anfang an nur darum gegangen, den Preis zu drücken.
    Â»Vier Mark achtzig für das Dutzend ist ein sehr redlicher Preis für echte Lauschaer Glaskunst, aber Ihnen zuliebe könnte ich mich vielleicht dazu durchringen … Einen Moment bitte!« hatte Strobel gesagt, sein ledernes Notizbuch gezückt und so getan, als würde er angestrengt Zahlen darin vergleichen. Doch außer dem Hinweis, daß er am selben Tag einen Banktermin hatte, war die Seite leer. Keine gesellschaftlichen Termine, keine Verabredung, nichts, was das Alltagseinerlei hätte vertreiben können. Was die Geschäfte mit kleingeistigen Männern wie dem Bayern erträglicher gemacht hätte. Und nun würde er seinen Banktermin nicht einmal pünktlich einhalten können!
    Er blieb abrupt stehen. Hatte er in der Eile daran gedacht, die Ladentür abzuschließen? Ja, er konnte sich daran erinnern, den Schlüssel im Schloß umgedreht zu haben.
    Und wenn nicht, würde ihn das auch nicht umbringen. Die Zeiten, in denen ihm allein ein Blick auf das edle Wurzelholz, mit dem sein Geschäft ausgestattet war, Vergnügen bereitet hatte, waren längst vorbei. Inzwischen langweilte ihn die Behäbigkeit seiner Räume, die nichts mit wechselnden Moden, sondern mit dauerhaft gutem Geschmack zu tun hatte. Ja, es hatte einmal Zeiten gegeben, in denen er stolz darauf gewesen war, ganz genau zu wissen, welche Waren sich hinter jeder Schublade und in welchem Fach befanden: handgerollte Seifen in den Körben oben links. Porzellanpuppen der Marke Heubach im mittleren Schrankelement. Schultafeln aus Steinach im untersten Fach. Holzspielzeug in den drei mittleren Schubladen. Und so weiter. Nach mehr als dreißig Jahren langweilte ihn jedoch auch dieser Gedanke.
    Außerdem waren die Zeiten des schwunghaftenHandels sowieso vorüber, die Einkäufer wurden immer wählerischer, immer schwieriger. Darin machte der Münchner keine Ausnahme.
    Strobel schnaubte lautlos. Früher hätte es eine Herausforderung für ihn bedeutet, einen zögerlichen Einkäufer so lange zu bezirzen, bis der Orderzettel randvoll war. Es hatte ihn geradezu erregt zu sehen, wie er seine Kunden beeinflussen und manipulieren konnte, bis sie wie die Ratten von Hameln nach seiner Pfeife tanzten.
    Aber diese Zeiten waren vorbei. Heutzutage ging es nur noch ums Geld.
    Es war schwer, den Lauschaern klarzumachen, daß die Preise für Glaswaren ständig sanken und daß er sich deshalb nicht an einst getroffene Absprachen halten konnte. Aber es war geradezu unmöglich, den Lauschaern die Wahrheit zu sagen: Daß die Preise nämlich nur

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