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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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sie schließlich nachgegeben.
    Was sich nun als Fehler herausstellte – denn mit ihrem Stuhl schien sie automatisch auch die Rolle der Rednerin übertragen bekommen zu haben.
    Sie drehte sich zu Karl um und nickte ihm auffordernd zu, was bedeuten sollte: »Nun sag doch was!«, woraufhin er heftig zurücknickte und schwieg.
    Â»Die Repräsentanten einer Genossenschaft, ich verstehe …« David Wagner räusperte sich. Dabei sah er aus, als verstehe er gar nichts, vor allem nicht, wie es kam, daß eine junge Frau und drei alte Glasbläser in gemeinsamer Sache bei ihm antraten.
    Wanda beugte sich über den Schreibtisch. Durch die Bewegung hatte sie den Duft ihres eigenen Parfüms in der Nase – ob sie vielleicht ein wenig zuviel davon aufgetupft hatte? Vorsichtig schnupperte sie in die Luft und merkte erst da, daß es David Wagners Rasierwasser war – sehr viel herber als ihr eigener Duft. Mißbilligend runzelte sie die Stirn. Der Mann war wohl ziemlich eitel.
    Â»Die Sache eilt sehr, verstehen Sie? Herr Gründler hat zugesagt, uns bis Mitte September Zeit zu geben, das fehlende Geld aufzutreiben. Mir ist natürlich klar, daß die Vergabe eines Kredits einige Formalitäten mit sich bringt. Formalitäten, die Zeit kosten …« Sie versuchte sich an einem Blick, der Wagner zu verstehen geben sollte: Mach endlich voran! Wir sind wichtige Leute, und wichtige Leute haben nicht unendlich viel Zeit zu verschenken.
    Â»Da haben Sie in der Tat recht, Fräulein …«
    Â»Miles«, antwortete Wanda mit einem gewinnenden Lächeln. »Ich bin die Stieftochter von Steven Miles. Ihm gehört ein großes Handelsunternehmen in New York, vielleicht haben Sie schon von ihm –« Wanda brach ab, als Gustav Müller Sohn sich urplötzlich nach vorn beugte.
    Â»David Wagner«, murmelte er vor sich hin. Gleichzeitig glotzte er den Bankangestellten an, als habe er ein Kalb mit zwei Köpfen vor sich.
    Wanda entgingen nicht David Wagners Versuche, sein Gegenüber niederzustarren. Sie räusperte sich, um Gustavs Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Doch es war Wagner, der als erster wegschaute und sich statt dessen in den Unterlagen vergrub, die Wanda ihm übergeben hatte. Die Summe Bargeld, über welche die Genossenschaft schon verfügte, die Anzahl der Mitglieder, Alois Gründlers Unterschrift, mit der er sich bereit erklärte, auch die Genossenschaft als potentiellen Käufer zu akzeptieren –alles hatte Wanda fein säuberlich aufgeschrieben. Warum äußerte er sich nicht dazu? Die Unterlagen mußten ihn doch beeindrucken.
    Â»Mir kommt er irgendwie bekannt vor«, flüsterte Gustav Wanda ins Ohr.
    Â»Deshalb brauchst du ihn doch nicht so anzustarren!« gab sie ebenso leise zurück. »Herr Wagner muß sich konzentrieren.« Dabei hätte nicht viel gefehlt und sie hätte David Wagner in derselben Art und Weise angeglotzt.
    Der Mann war so jung! Der Name »Bankhaus Grosse & Söhne«, die Art, wie die Glasbläser ehrfurchtsvoll von dieser Sonneberger Institution sprachen – all das hatte dazu beigetragen, daß sich Wanda im Geist einem alten, verknöcherten Herrn gegenübersitzen sah. Aber David Wagner war höchstens Mitte bis Ende Zwanzig, darüber täuschten auch sein altmodischer Anzug und sein steifes Auftreten nicht hinweg.
    Jetzt war Wagner gerade dabei, einige der Zahlen aus Wandas Unterlagen in ein eigenes Formular zu übertragen. Immerhin! Daß seine Augen dabei funkelten wie zwei glühende Kohlestückchen, mußte schließlich kein Zeichen mangelnder Kompetenz sein, oder? Und auch sein verwegenes, fast attraktives Aussehen mußte nicht bedeuten, daß er keinen Sinn für Zahlen hatte.
    Unvermittelt fiel Wanda Harry, ihr ehemaliger Verlobter, ein. Ob Harry die gleiche Skepsis erfuhr, die sie Herrn Wagner gegenüber an den Tag legte? Als seine Bank ihn zum Leiter der Niederlassung in New Mexico machte, war er eher noch jünger als Wagner gewesen.
    Wanda hätte nicht sagen können, warum, aber ihr wäre es lieber gewesen, einem alten Herrn mit arroganter Miene und blassen Augen gegenüberzusitzen.
    Und nicht diesem gutaussehenden Kerl mit seinenblitzenden Augen und den dunklen Haarlocken, die ihm immer wieder in die Stirn fielen. Schon schob er erneut seine Unterlippe nach vorn und versuchte, die Haarsträhne unauffällig

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