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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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aufstiegen.
    Wanda lachte kopfschüttelnd. »Das meint ihr nicht im Ernst, oder?« Doch als sie von einer bekümmerten Miene zur anderen sah, wurde ihr klar, wie ernst die Männer es meinten.
    Â»Welche andere Möglichkeit haben wir denn?« sagte sie flüsternd, den Blick auf die angelehnte Tür gerichtet.
    Â»Es kommt nur darauf an, das Geld richtig zu investieren! Und ihr haltet doch so große Stücke auf das Bankhaus Grosse! Ihr habt mir doch erzählt, was für fähige Leute hier arbeiten. Darauf müßt ihr jetzt eben vertrauen.«
    Â»Es geht ja nicht allein um unser Geld«, fuhr Karl sie an. »Du weißt doch, wie mühsam es für viele war, die Beträge für unser Unternehmen überhaupt aufzubringen. Und jetzt sollen wir den Leuten etwas von ›Börsengeschäften‹ erzählen?«
    Wanda verzog den Mund. »So, wie du das Wort betonst, könnte man meinen, wir übergeben das Geld Ganoven für irgendwelche düstere Machenschaften. Aber ein Termingeschäft oder das Kaufen und Verkaufen von Aktien ist völlig redlich. In New York ist eine ganze Armee von Börsenmaklern tagtäglich mit nichts anderem beschäftigt! Die Männer verdienen damit das Geld für sich und ihre Familien. Und sie leben gut davon.«
    Â»Wovon?« unterbrach Gustav sie. »Wovon leben sie, hä? Sie produzieren nichts. Sie handeln mit nichts. Sie schieben lediglich Zahlen auf Papier hin und her. Oder Papiere selbst – das soll redlich sein?«
    Unwirsch winkte Wanda ab. Für solche Grundsatzdiskussionen hatten sie jetzt wahrhaftig keine Zeit. Sie schaute jeden der Männer einen langen Moment eindringlich an.
    Â»Uns bleiben genau zwei Möglichkeiten: Entweder, wir fahren nach Hause und vergessen die ganze Sache …« Sie hielt kurz inne, um ihren Worten mehr Gewicht zu verleihen. »Das würde bedeuten: Keine Genossenschaft. Keine Gründler-Hütte. Alle schönen Pläne dahin. Oder –«
    Bevor sie weitersprechen konnte, wurde die Tür aufgerissen.

    David Wagner nahm sich Zeit. Geduldig und mit einfachen Worten erklärte er Karl und den anderen, welche Art von Börsengeschäften für sie in Frage kam – Termingeschäfte nämlich. Natürlich würde das Bankhaus Grosse auch nach anderen Gelegenheiten Ausschau halten, aber angesichts der kurzen Zeitspanne, die ihnen zur Verfügung stand … Wagner zuckte mit den Schultern. Und ob mit dem eingesetzten Geld überhaupt ein annähernd hoher Betrag wie der von den Lauschaern benötigte zu erzielen sei? Abermals wanderten Wagners Schultern in die Höhe. Es sei machbar, meinte er, aber versprechen könne er nichts.
    Â»Wir werden Ihnen unser Geld überlassen!«
    Es war Karl, der die Rolle des Redners übernahm.
    Wanda war dies nur recht. Ihre Handtasche auf dem Schoß, die beiden Hände bequem darauf abgestützt, lehnte sie sich zurück, als gehörten solche Gespräche zu ihrem Tagesgeschäft.
    Lieber Gott, mach, daß das die richtige Entscheidung ist, betete sie stumm vor sich hin. Und mach, daß das Bankhaus Grosse wirklich so gut ist wie der Ruf, der ihm vorauseilt. Denn wenn etwas schiefgeht, bin ich die Dumme! Daß es ihre Überredungskünste waren, die den Ausschlag für Karls Worte gegeben hatten, stand fest.
    Richard wird mir den Kopf abreißen, dachte sieplötzlich. Aber der wußte ja nicht einmal, daß sie heute hier war. Als sie am Abend zuvor diesen weiteren Bankbesuch ansprechen wollte, hatte er nur gesagt: »Die Bank, aha.« Nicht schon wieder dieses Thema, hatte Wanda aus seinem Ton herausgehört und war seinem Wunsch gefolgt.
    Â»Wir geben es Ihnen mit dem Wissen, daß Sie es bestmöglich für uns verwenden werden.« Fast übertrieben genau artikulierte Karl jedes Wort. »Sie wissen, daß wir unser Geld in der zweiten Septemberwoche wieder brauchen. Unser Geld und« – er drehte sich zu seinen Mitstreitern um – »das Geld, das Sie für uns erwirtschaften, noch dazu. Nur dann sind wir in der Lage, die Gründler-Hütte zu kaufen. Und damit eine Zukunft für viele Glasbläser und ihre Familien zu schaffen.«
    Die beiden anderen Männer nickten.
    Auch Wanda nickte. Ach, wie stolz war sie auf Karl! Der Mann, der seiner Frau noch vor wenigen Wochen so viel Kummer bereitet hatte, weil er selbst vom Kummer zerfressen war, redete

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