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Das gläserne Tor

Titel: Das gläserne Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wassermann
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auf.«
    »Leider reißt es nicht. Kannst du bis morgen früh durchhalten? Wenn das Tagwerk hier wieder anfängt, schneidet man uns gewiss los.«
    »Ich versuch’s ja.« Parrad schwankte. »Wenn ich wenigstens etwas im Magen hätte. Mir ist so übel.«
    Er sackte in die Knie. Die Leine straffte sich. Anschar musste unter seine Achseln greifen, damit er sich nicht erwürgte. Schlaff hing Parrad in seinen Armen.
    »Drück die Knie durch! Verdammt!« Er schlug ihm ins Gesicht. Japsend kam Parrad wieder zu sich.
    »Ich kann nicht mehr.«
    Anschar schob Parrads Arme über seine Schultern und verschränkte die Hände hinter seinem Rücken. Wie lange er es durchstehen würde, diesen langen Kerl zu halten, wusste er nicht, aber er hoffte, dass er recht behielt und man sie bei Morgengrauen losband. Parrad versuchte sich festzuhalten und aus eigener Kraft zu stehen, doch seine Bemühungen schlugen fehl. Er weinte an Anschars Schulter, während er schlaff in seinen Armen hing.

    Die Sklaven umringten das Becken. Keiner wagte sich zu rühren. Erst als die Stimmen der Aufseher durch die Halle donnerten, kletterten sie in die Becken. Fargiur blickte auf Anschar herab.
    »Müde?«, fragte er höhnisch lächelnd und deutete auf Parrad. »Lebt er überhaupt noch?«
    Anschar fehlte die Kraft, darauf zu antworten. Erleichtert bemerkte er, wie Fargiur sein Messer zog, ins Becken stieg
und sie vom Netz losschnitt. Anschar schleppte den Wüstenmann an den Beckenrand und ließ sich neben ihm niedersinken. Auf der Stelle wäre er eingeschlafen, wenn ihn nicht das Beben seiner geschundenen Muskeln wach gehalten hätte. Er sah, wie Fargiur sich über Parrad beugte, ihn an der Schulter rüttelte und dann die Leine durchschnitt. Zwei Sklaven kamen heran, hoben Parrad auf und trugen ihn fort.
    »Ist … ist er tot?«, fragte Anschar mit zittriger Stimme, in der keine Kraft mehr lag. Mühsam raffte er sich auf.
    »Nein, der kommt in die Krankenhütte. Steh auf, ich bringe dich in deine Hütte. Da kannst du meinetwegen schlafen, bis du verfaulst.«
    Als Anschar Fargiurs Hand auf dem Rücken spürte, wirbelte er herum und riss die Arme hoch. »Nein!« Er packte die Leine, deren Ende in der Hand des Aufsehers lag. Er zwang sich, nicht daran zu zerren.
    »Schrei nicht so! Was ist denn? Sei doch froh, dass ich dir Ruhe gewähre.«
    »Ruhe? Du wirst mich an Tehrech binden, und einer von uns wird nach diesem Tag tot sein.«
    »Tehrech ist schon tot. Dein Leinengenosse wird vorerst der Pfosten sein.«
    Anschar war viel zu aufgewühlt, um das zu glauben. Gewiss wollte Fargiur ihn täuschen, damit er folgsam war. Er würde es nicht ertragen, an Tehrech gefesselt zu sein. Nichts würde er mehr ertragen, es war genug. Da sah er den Werkstattleiter näher treten; der Aufruhr hatte ihn wohl hergelockt. Anschar riss die Leine aus Fargiurs Hand und warf sich ihm zu Füßen.
    »Was ist mit ihm?«, fragte der Leiter über ihn hinweg.
    »Er scheint die Nerven zu verlieren. Hatte eine harte Nacht.«
    »Und wo ist der andere Sklave?«

    »Der ist krank. Diesen hier wollte ich gerade in seiner Hütte anbinden.«
    »Nein«, flehte Anschar. Er konnte kaum glauben, was da geschah – er, einer der Zehn, lag bäuchlings vor einem Mann, der weder der Meya noch Mallayur war, und ergab sich seiner Gnade. Möge mich irgendjemand töten, dachte er. Jetzt, sofort. »Ich halte dieses Angebundensein nicht mehr aus. Lass mich allein herumlaufen. Bei allen Göttern, lass mich allein, ich werde nicht fliehen. Ich schwöre es bei allem, was mir heilig ist.«
    »Steh auf.«
    Anschar gehorchte. Die Leine baumelte an ihm herab. Es war ein gutes Gefühl, das er nicht mehr verlieren wollte. Es überlagerte den Schmerz in seinen Beinen. Es überlagerte in diesem Moment alles. Er war bereit zu töten, um es zu behalten. Als der Leiter nach dem losen Ende griff, zuckte er zurück. Sollte seine Bitte abgeschlagen werden, hielt er es nicht mehr für abwegig, sich loszureißen und die Flucht ins Nichts zu wagen.
    »Ich würde es dir gern zugestehen«, sagte der Leiter. Sein Daumen rieb über das Grasgeflecht, während er es betrachtete. Dann neigte er sich, um an ihm vorbei zu sehen. »Fargiur, was meinst du?«
    »Es ist deine Entscheidung, Herr. Ich lege meine Hand gewiss nicht für ihn ins Feuer. Aber ich verspreche dir, dass er es bereuen wird, wenn er Dummheiten macht.«
    »Gut. Anschar. Enttäusche mich nicht. Die Leine behältst du aber.« Der Leiter ließ sie los und machte eine

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