Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das gläserne Tor

Titel: Das gläserne Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wassermann
Vom Netzwerk:
wegwerfende Handbewegung. »Und nun geh.«
    Anschar lief aus der Halle. Seine Beine waren schwach, aber er genoss die Bewegungsfreiheit. Er drehte die Halsschlinge, sodass die Leine über seinen Rücken fiel, dann rannte er über das Gelände, hin und her, bis ihn die Müdigkeit übermannte
und er zu seiner Hütte wankte, wo er sich auf seine Matte fallen ließ. Niemand war hier, sie alle schufteten in den Hallen. Er war allein. Allein und fast frei. Fast! Aufstöhnend rollte er sich auf den Bauch und vergrub das Gesicht in den Armen. Die Ernüchterung kam schnell und legte sich wie Gestein auf seine Schultern. Er hatte sich erniedrigt, um dieses falsche Gefühl der Freiheit zu erlangen. Freiheit – auch das war nur ein Wort, dessen Bedeutung ihm fremd war. Was war jetzt so viel anders als zuvor? So gut wie nichts.

    Er ruckte hoch, als einer der Sklaven ihn streifte. Sie verteilten sich auf ihren Schlafplätzen und fingen gierig schmatzend an, den Brei in sich hineinzuschaufeln. Wie üblich trugen sie den beißenden Geruch der Brühe mit sich, der sich in den Hüfttüchern und den Haaren verfing. Anschar zog die Beine an. Bis zu den Knien waren sie gänzlich unbehaart, wie bei jedem Sklaven, der eine Zeit lang der ätzenden Brühe ausgesetzt war. Er kratzte über die glatte Haut, die sich wie eine ledrige Hülle anfühlte. Er musste es nachholen, sie zu waschen. Außerdem war seine Kehle wie ausgedörrt. Gewohnheitsmäßig tastete er nach Parrad, um ihn zu wecken, und als ihm einfiel, dass das nicht mehr nötig war, sprang er auf und rannte hinaus. Es dämmerte schon; an der Hütte, aus der die letzten Sklaven ihr Essen holten, lief er vorbei zum Brunnen. Sofort eilte eines der Wassermädchen herbei und machte sich daran, frisches Wasser hochzuziehen. Als sie es über seine Beine schüttete, sank er rücklings auf den blanken Boden und stellte die Füße auseinander, damit sie keine Mühe hatte, in jeden Winkel zu kommen.
    Es war das Mädchen, das von Parrad bevorzugt wurde. Ihre Finger kneteten geschickt seine Muskeln, während sie mit der anderen Hand den Eimer hochhielt und das Wasser fließen ließ. Anschar schloss die Augen und versuchte sich
wie so oft vorzustellen, dass es Grazia war. Sie hätte das so viel besser gekonnt. Allerdings hätte sie seine Beine nicht angefasst. Das da, das war nur der Abklatsch eines Wunders. Nicht einmal das. Es war nichts, es linderte seine Schmerzen nicht. Er kam auf die Füße und ging in die Salzkammer. Als er sich auf die Pritsche setzte und einen Fuß über den Schenkel legte, um etwas Salz in der Haut zu verreiben, kniete das Mädchen vor ihm. Ihr kurzer Kittel sprang auf und entließ ihren strengen Duft.
    »Lass mich das machen«, murmelte sie, griff in einen der Säcke und verrieb, ohne seine Zustimmung abzuwarten, das Salz auf seiner Ferse. Der Ausschnitt ihres Kittels war so groß, dass Anschar die braunen Spitzen ihrer Brüste sehen konnte. Er zweifelte nicht am wahren Grund ihrer Dienstbeflissenheit und fragte sich, ob er es wollte. Bisher hatte er keines dieser jämmerlichen Wüstenhündchen angerührt. Doch zum ersten Mal, seit er hier war, hatte er die Gelegenheit, es zu tun, ohne dass jemand dabei war, und vielleicht war das der Grund, weshalb sie sich ihm anbot.
    Er wollte es, und er rang sich die Erkenntnis ab, dass es lächerlich war, hier in den Werkstätten auf einen Unterschied zwischen ihm und den Wüstenmenschen zu pochen. Hier war er ebenso wenig wert. Ein Sklave. Keiner der Zehn, nichts, nur ein Grastreter. Anschar war danach, die Sklavin anzuspucken; stattdessen warf er sich auf sie und riss ihren Kittel hoch. Bereitwillig spreizte sie die Schenkel und versuchte nach ihm zu greifen, um ihn an sich zu ziehen und, wie er befürchtete, zu küssen. Das ließ er nicht zu. Er drückte ihre Arme hinunter, presste die Augen fest zusammen, um möglichst wenig von ihr wahrzunehmen, und arbeitete sich an ihr ab. Seine Hüften pumpten ohne sein Zutun, und das Knurren, das er von sich gab, hörte sich nicht nach ihm an. Grazia! , hämmerte es unentwegt in seinem Schädel, aber das
war sie nicht, er konnte es sich nicht einreden. Schnell kam der Rausch, der ihm für einen Augenblick das Gefühl gab, das Richtige zu tun. Doch kaum war sein Schrei verklungen, stieß er sich vom Boden hoch und wankte zu den Säcken, wo er ein Tuch liegen sah. Während er sich die Säfte der Frau vom Körper wischte, starrte er sie so grimmig an, dass sie aufsprang und aus dem Raum

Weitere Kostenlose Bücher