Das gläserne Tor
draußen auf dem Korridor verbringen soll.«
Er schob sich an ihr vorbei, schritt auf die Terrasse und sprach leise mit Henon. Grazia war die Situation unendlich peinlich. Dass Henon ganz selbstverständlich seine Schlafmatte aufnahm und vor die Tür ging, machte es auch nicht leichter. Anschar schloss sie hinter ihm, schien zu überlegen und schob den Riegel vor.
Grazia eilte ins Schlafgemach. Was sollte sie jetzt tun? Am besten war es wohl, einfach abzuwarten. Sie hörte ihn kommen. Als sie sich umdrehte, sah sie, wie er eine Öllampe hereintrug, sie mit einer Hand abschirmte und langsam auf die Truhe neben dem Bett stellte.
»Bist du sicher, dass es ihm nichts ausmacht, die Nacht draußen zu verbringen?«, fragte sie.
»Ja. Jetzt vergiss ihn aber endlich.« Er streckte die Hand nach ihr aus. Sie ließ es geschehen, dass er sie heranzog, umarmte, küsste. Er strich über ihr Gesicht, schloss ihr die Augen, ertastete jede Einzelheit. Ewig hätte sie so dastehen mögen, denn konnte das, was folgte, schöner sein? Sie genoss die leisen Berührungen, wollte sie ihm zurückgeben, konnte sich aber nicht rühren.
»Es wird so schnell vorbei sein«, murmelte er und sackte aufs Bett. »Im Morgengrauen muss ich schon gehen.«
Sie wollte ihn ermahnen, jetzt nicht daran zu denken. Stattdessen fragte sie: »Wann werden wir uns wiedersehen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ist es schlimm für dich, dort wieder hinüber zu müssen?«
»Nur weil ich dich erneut allein lassen muss. Ansonsten … ach, Mallayur sollte mich jetzt nicht scheren. Du machst mich glücklich.«
»Oh, Anschar!« Es freute und ängstigte sie zugleich. »Aber was soll denn bloß werden? Das ist doch kein Zustand.«
»Ich werde versuchen, ihm keinen Grund zur Klage zu geben, dann können wir uns vielleicht noch einmal sehen. Mehr wird wahrscheinlich nicht möglich sein. Grazia, lass uns das Wenige, das wir aneinander haben, nicht noch erschweren. Du wirst bald den Weg in dein Reich zurückfinden, und dann war es das ohnehin.«
Der Gedanke schmerzte ihn, sie hörte es unschwer heraus. Sie strich ihm durchs Haar, wollte es nicht akzeptieren. Weder dass sie sich irgendwann verlieren würden, noch dass sein Besuch in der Früh schon endete. Ihr war danach, vor lauter Verzweiflung loszuplappern, aber sie biss sich auf die Zunge. Es wäre ohnehin nur dummes Zeug herausgekommen. Als
er unversehens ihren Gürtel aufschnürte und sich streckte, um das Kleid herunterzustreifen, hielt sie sich vor Schreck an seinen Schultern fest.
»Du musst keine Angst haben«, sagte er. »Aber wenn du es doch nicht willst, solltest du es mir jetzt sagen.«
Sie schwieg. Mit erhobener Braue musterte er das Korsett und betastete es. Wie zu erwarten war, blieb es für ihn ein Rätsel.
»Wofür ist das gut? Gesehen habe ich es schon, als du ohnmächtig in der Wüste dalagst. Da wollte ich es dir abnehmen, aber ich habe es nicht gewagt.«
Zum Glück!, dachte sie erschrocken. Damals hätte er das nicht tun dürfen. Jetzt war alles anders. »Es gibt meinem Körper eine schöne Form.«
»Das ist alles?«, fragte er ungläubig.
»Ja.« Grazia griff nach der metallenen Schließe, überwand sich und löste den obersten Haken. Die Schließe sprang der Länge nach auf. Sie ließ das Korsett fallen. Nun stand sie im Unterkleid da und fühlte sich ziemlich nackt. Ihre Brüste, obwohl klein, kamen ihr schwer vor. Ihr Bauch zog sich zusammen, als sich Anschars Hände darauf legten und sich zum Rücken vortasteten, als wolle er ergründen, ob ihre Taille auch ohne das Korsett so schmal blieb. Er betrachtete alles genau, arbeitete sich zum Saum vor und machte Anstalten, ihn hochzuheben.
»Nicht«, würgte sie hervor. »Du willst mich doch nicht allen Ernstes ausziehen?«
Er zuckte zurück. Die Frage, was daran jetzt noch falsch war, stand ihm auf der gerunzelten Stirn geschrieben. Grazia nutzte seine Verwirrung, um aus seiner Reichweite zu kommen. Er stand auf, aber nicht, um ihr zu folgen, sondern seinen nachlässig geschnürten Rock zu lösen und sich ins Bett zu legen. Erleichtert nahm sie zur Kenntnis, dass er sich eine
Decke über den Schoß zog. Die Beine hatte er angewinkelt. Vorsichtig setzte sie sich auf die Bettkante. Er berührte ihren Arm, sodass sie sich zu ihm umwandte. Sie versuchte ein Lächeln, aber es geriet schief.
Offenbar wollte er ihr Zeit lassen. Sie schob sich aufs Bett und setzte sich neben ihn. Lag es am schwachen Licht, dass seine Unterschenkel so bleich und rau
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