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Das gläserne Tor

Titel: Das gläserne Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wassermann
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aussahen? Kein Härchen war zu sehen, stattdessen einige verkrustete Stellen.
    »Wie kommt das?« Sacht strich sie darüber.
    »Ach«, sagte er und setzte sich auf, um sich dort zu kratzen, wo sie ihn berührt hatte. »Ein kleines Andenken an die Papierwerkstätten. Das gibt sich wieder.«
    »Was genau hast du denn da tun müssen?«
    »Nichts, was sich lohnen würde, es ausgerechnet jetzt zu erzählen.«
    Sein Blick war so durchdringend, dass sie ihm auswich. Vorsichtig schlüpfte sie unter die Decken, darauf bedacht, ihre Beine nicht mehr als nötig zu entblößen. Dann hatte sie es geschafft, sie lag auf dem Rücken und war sorgfältig zugedeckt. Alles Weitere war nun seine Sache.
    »Du liegst da, als wärst du krank.«
    »Wie soll ich denn sonst liegen?« Sie ahnte, dass es merkwürdig aussah, so krampfhaft die Bettdecke festzuhalten. Aber davon abgesehen, was sollte sie denn tun? Man legte sich hin, fertig. Mehr wusste sie darüber nicht, aber das wusste sie. Große kulturelle Unterschiede gab es da sicher nicht. Sie erinnerte sich an ein griechisches Vasenbild, auf dem der Mann saß und die Frau ihn bestieg, aber so etwas konnte Anschar unmöglich von ihr wollen.
    Er hatte den Kopf auf einen Ellbogen gestützt und betrachtete sie. Seine andere Hand war nicht zu sehen. Doch als sie seine Finger spürte, dicht unterhalb ihrer Brust, keuchte sie auf.

    »Würdest … würdest du bitte das Licht löschen?«, stammelte sie. Irgendeine ihrer Tanten hatte einmal gesagt, das erste Mal müsse man über sich ergehen lassen wie einen Zahnarztbesuch. Noch tat ihr nichts weh, aber Grazia befürchtete, dass der Vergleich so abwegig nicht war.
    »Grazia …«
    »Bitte!«
    »Du magst es selbst jetzt nicht, wenn ich deinen Körper sehe?«
    »Ich glaube nicht, nein. Aber vor allem mag ich es nicht, wenn du mir das Gefühl gibst, dass ich alles falsch mache.« Sie drehte ihm den Rücken zu, zog die Decke bis ans Kinn und versuchte verzweifelt, ihr Angstbeben zu unterdrücken. Einen Augenblick später war es dunkel. Anschar legte sich hinter sie und strich ihr die Haare aus dem Gesicht.
    »Wir müssen es nicht tun, Feuerköpfchen.«
    Grazia biss in das Kissen unter sich, um nicht aufzuschluchzen. Keinesfalls wollte sie, dass er merkte, wie sehr ihr all das zusetzte. Aber natürlich merkte er es. Ein Finger berührte ihr linkes Auge und wischte eine Träne ab. Diese Geste war ihr inzwischen so vertraut, dass sie nur noch mehr weinte.
    »Das scheint ja bei euch eine freudlose Sache zu sein«, sagte er. »Oder hat er dir wehgetan?«
    »Wer?«
    »Friedrich.«
    »Nein, wir haben nicht …«, die restlichen Worte blieben ihr in der Kehle stecken. Sie spürte, wie er neben ihr auf die Matratze sank, und malte sich aus, wie er an die Zimmerdecke starrte. Nach einiger Zeit hielt sie es nicht mehr aus und rollte sich ebenfalls auf den Rücken. Sie spürte seine warme Haut an ihrem Arm.
    »Ich habe dir das jetzt verdorben, oder?«, fragte sie leise. »Aber ich verstehe davon nichts, wirklich.«

    »Ach, Grazia, ich doch auch nicht.«
    »Nicht? Ich dachte, du bist, nun ja, erfahren.«
    »Ich weiß einer Frau Freude zu bereiten. Aber nichts … darüber hinaus.«
    »Ach so.« Gottlob war es dunkel, andernfalls hätte sie sich niemals auf ein solches Gespräch eingelassen. »Ich war einfach davon ausgegangen, dass du wie jeder Mann bist.«
    »Wie sind sie denn bei euch?«
    »Das – das weiß ich eigentlich nicht«, stotterte sie, kaute auf der Lippe und sagte dann: »Bei uns heiraten die Männer oft spät, und vorher … vorher … o Gott, Anschar, ich kann nicht darüber reden. Meine Mutter würde mir den Mund mit Seife auswaschen!«
    »Wofür soll das denn gut sein?«
    Nur mit Mühe konnte sie ein Aufstöhnen unterdrücken. Manchmal war er so anstrengend! »Wie halten es die Männer denn hier?«, fragte sie. »Heiraten sie früh?«
    »Spätestens mit zwanzig. Es gibt jedenfalls nur wenige, die sich länger Zeit lassen. Und vorher treiben sie es mit fremden Frauen, die sie in der schwebenden Stadt finden. Oder mit Huren. Was ja auch mein Futter bisher war.«
    Wie er das sagte. Futter . Grazia fühlte sich von dieser Wortwahl abgestoßen. Aber er kannte es ja nicht anders.
    »Warst du nie verliebt?«
    »Nein. Das heißt doch, als Junge ist es mir einmal passiert. Es war die Tochter eines hochrangigen Schreibers.«
    »Etwa die mit dem kostbaren blauen Mantel?«
    »Welcher … ach, der! Nein.«
    »Hat sie sich auch in dich verliebt?«
    »Was?«

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