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Das gläserne Tor

Titel: Das gläserne Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wassermann
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»Henon gehört jetzt dir. Er ist so ein dummer, alter Mann. Pass auf ihn auf, versprich mir das.«
    »Ich verspreche es. Aber, Anschar, du kannst hier auch nicht bleiben. Sag mir, was ich für dich tun kann.«
    »Was willst du denn da tun?« Er warf den Kopf hoch und sah sie gequält an. »Ich gehöre Mallayur, er kann mit mir tun und lassen, was er für richtig hält.«
    »Das klingt, als würdest du es selbst für richtig halten.«
    Schwer atmete er aus. »Ich bin ein Sklave. Es mag dir seltsam erscheinen, und ich mag das alles als schrecklich empfinden, aber beklagen können wir uns darüber nur bei den Göttern, und von denen weiß man nie, ob sie einen hören. Sieh zu, dass du zurück nach Argad kommst, Grazia. Lass dich nicht mit Mallayur ein.«
    Sie fragte sich, ob er sie vorher jemals bei ihrem Namen genannt hatte. Und ob ihr das wirklich gefiel.
    Ja, sie würde gehen. Zurück zu Madyur-Meya und ihm sagen, was mit seinem ehemaligen Sklaven geschah. Er war doch der eigentliche Herr von Hersched! Er würde dem ein Ende bereiten. Sie fuhr herum, als die Tür aufflog. Ein Mann baute sich auf der Schwelle auf.

    »Eins noch«, wandte sie sich an Anschar. »Du hast einen Ohrring. Woher stammt der?«
    »Warum fragst du danach? Willst du ihn etwa haben?«
    »Um Himmels willen, nein. Ich kann das jetzt nicht erklären.«
    »Der gehörte meiner Mutter.«
    »Das ist unmöglich!« Ihr entfuhr ein leiser Schrei, als sich die Hand des Wächters auf ihre Schulter legte. Unmissverständlich nickte er zur Tür. Grazia beugte sich rasch über Anschar und flüsterte: »Ich versuche dir zu helfen. Bitte gib nicht auf.«
    »Nein. Vergiss mich. Es ist besser so, glaub mir. Grazia … ich habe dich hergebracht, damit du zurück in deine Welt findest. Tu das, bitte. Geh nach Hause.«
    Der Wächter zog sie von ihm weg und schob sie zur Tür, wo sie sich noch einmal umdrehte. Anschar hatte ihr das Gesicht zugewandt, seine Haare trieben auf dem Wasser. Sein Blick, so elend, verwirrt und zugleich um sie besorgt, bohrte sich tief in ihr Inneres.

    Fast hätte sich Anschar übergeben, als er in die Senkrechte gehoben wurde. Die Fesseln wurden gelöst. Er wollte sich am Brett festhalten, griff ins Leere und sackte in die Knie.
    »Er ist schwach«, hörte er Egnasch sagen, der hinter ihm stand und unter seine Arme griff.
    »Dann sollten wir sie gleich entfernen«, erwiderte Mallayur. »So lässt er sich leichter bändigen.«
    Entfernen? Anschar begriff nicht, aber es hörte sich nicht gut an. Er drückte die Knie durch und schaffte es, zu stehen. Es ekelte ihn an, den Arm um Egnaschs Schultern legen zu müssen, aber ihm blieb nichts anderes übrig, denn seine Füße gehörten ihm noch nicht wieder. Egnasch und der Palastkrieger führten ihn aus der Weinkammer. Wohin sie ihn brachten,
darauf achtete er nicht. Ein dunkler Gang reihte sich an den anderen. Er lenkte sich damit ab, an Grazias Worte zu denken, obwohl er dazu noch zu benommen war. Sie hatte so viele verwirrende Dinge gesagt. Wer war Friedrich? Bisher hatte sie ihn nie erwähnt. Und warum war sie so an dem Schmuck seiner Mutter interessiert? Er hoffte nur, dass sie ihm gehorcht hatte und zu Madyur gegangen war, unverzüglich. Nicht seinetwegen, da würde sie nichts ausrichten können. Aber die Sache mit dem Wasser, die musste der Meya wissen.
    Es sei denn, ich habe mir nur eingebildet, dass ihre Hand wie eine Quelle war, dachte er. Was wesentlich wahrscheinlicher ist.
    In irgendeinem anderen Raum, der ihm auch nicht einladender als die Weinkammer erschien, wurde er auf eine gemauerte Bank gesetzt. Plötzlich war Geschäftigkeit um ihn herum; weitere Palastkrieger kamen, brachten Grasbänder, rückten einen Tisch an seine Seite und trugen ein Bronzebecken heran, dem der Geruch brennender Kohle entströmte. Wärme breitete sich in der Kammer aus. Metall scharrte über Metall, als irgendetwas, wohl eine Stange, in das Becken geschoben wurde.
    Mit wachsender Klarheit erkannte Anschar, was auf ihn zukam. Entfernen. Ausbrennen .
    »Nein«, keuchte er. »Damit könntet ihr mich töten.«
    Er spannte die Beinmuskeln an, wollte aufspringen und fortrennen, doch er stellte fest, dass seine Füße an die Bank gefesselt waren. Mit einem Mal stand Mallayur über ihm und drückte ihn an den Schultern herunter. Ein anderer schlang eine Fessel um sein linkes Handgelenk, bog seinen Arm zurück und band ihn irgendwo fest.
    »Doch nicht die ganze Tätowierung«, sagte Mallayur. »Das wäre in der Tat

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