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Das gläserne Tor

Titel: Das gläserne Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wassermann
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sagte Egnasch zu dem Jungen, als er fertig war. »Das hier geht niemanden etwas an. Eigentlich sollte ich dich dafür töten, das weißt du.«

    Der Sklave wischte sich schniefend über die blutige Nase. »Ja, das weiß ich.«
    Lächelnd tätschelte Egnasch seine Wange. »Wenn nur mein Bett nicht so leer ohne dich wäre. Mit meiner Nachsicht habe ich mir eine warme Nacht mit dir verdient, nicht wahr, du kleines Wüstenhündchen? Hau ab.«
    Der Junge verschwand aus Anschars Blickfeld, und gleich darauf hörte er ihn über eine Treppe herauftappen. Anschar öffnete die nächstbeste Tür und verschwand dahinter. Die Schritte kamen näher und entfernten sich, dann folgten die des Aufsehers. Als er sich sicher war, dass die beiden verschwunden waren, kehrte er auf den Gang zurück.
    Die Lampe brannte noch immer, allein das war beunruhigend. Trotzdem warf er einen Blick hinab in das Gewölbe. Es schien nichts weiter als ein riesiger Abstellraum zu sein, denn an einer Wand stapelten sich Tische und Bänke, an einer anderen leere Tonkrüge. Eine Treppe führte linkerhand hinunter. Anschar zögerte. Zu sehr war es in ihm verankert, solche Verbote zu achten, als dass er einfach hätte hinuntersteigen können. Allein hier oben zu stehen, war mehr als gewagt. Er wusste, dass er sich damit eine Auspeitschung verdiente.
    Er versuchte, nicht weiter über sein Handeln nachzudenken, als er die Treppe hinabstieg. Ohne Zweifel war das, was sich unter dem Tuch verbarg, der Grund für das Verbot. Was, bei den alles durchdringenden Augen des Götterpaares, war es, dass man es nicht sehen durfte?
    Das Tuch hing bis zum Boden herab. Die Seile waren fest und ordentlich darum geschlungen und verknotet. Den Worten des Sklaven zufolge war das Tuch herabgeglitten. Aber wovon? Anschar umrundete die Säule, ging in die Hocke und hob das Tuch an, so weit es ging.
    Allmächtiger Inar, dachte er und ließ das Tuch entsetzt
fallen. Nach einem kurzen Blick zur Treppe hob er es wieder vorsichtig an und streckte die Finger aus. Er berührte etwas, das fest, glatt und kühl war. Doch zu sehen war nichts. Nur die Falten des Tuches auf der anderen Seite.
    Das Ding war unsichtbar.
    Schritte hallten im Gang. Anschar ließ das Tuch los und machte einen Satz hinter die Säule.
    »Besser, ich sehe noch einmal nach, ob alles richtig ist«, brummte Egnasch vom Eingang her. Anschar hörte, wie er sich am Bauch kratzte und dann heruntertappte, gemeinsam mit dem jungen Wüstenmann. Ihm blieb nichts anderes, als sich weiter hinter der Säule zu verbergen. Von der anderen Seite näherte sich Egnasch. Das Tuch bewegte sich, als er danach tastete.
    »Alles in Ordnung.« Er gähnte. »Du raubst mir die Nachtruhe, nur weil du Unfug gemacht hast.«
    »Ich fasse das nicht wieder an«, hauchte der Sklave. »Bei allem, was mir heilig ist …«
    »Als ob ein Wüstenkäfer irgendetwas hätte, das ihm heilig ist! Ich gebe dir etwas zum Anbeten. Willst du’s haben?«
    »Ja«, murmelte der Junge, doch er klang nicht so, als wäre er begierig darauf. Sie entfernten sich einige Schritte und blieben stehen. Die Geräusche, die nun folgten, waren unklar, bis Anschar ein vernehmliches Schmatzen heraushörte. Dicht an die Säule gepresst, wagte er einen Blick. Der Junge kniete vor dem Aufseher, seine Arme hingen schlaff herab. Egnaschs Pranken hatten sich in seine Strähnen gekrampft und schoben seinen Kopf hin und her. Angewidert kniff Anschar die Augen zusammen. Allzu lange sollte das nicht dauern, also würde er hier ausharren und hoffen, dass Egnasch den Sklaven bald fortscheuchte und in sein Bett kroch.
    Egnasch atmete zischend und lang anhaltend aus. Dann klatschte es, als tätschelte er die Wange des Jungen. »Gut
gemacht. Ganz so nutzlos bist du ja doch nicht. Geh wieder schlafen.«
    Der Sklave hastete die Treppe hinauf. Nun war es so ruhig, dass Anschar flach atmete, weil er befürchtete, Egnasch könne ihn bemerken. Er lauschte auf jede Regung und überlegte, was er tun sollte, falls Egnasch um die Säule herumkäme. Doch der stieg nach einer halben Ewigkeit endlich wieder die Treppe hoch. Tief atmete Anschar auf und sank an der Säule hinab. Er wartete noch einige Zeit, bis er sich einigermaßen sicher fühlte, und verließ ebenfalls das Gewölbe. Was er mit seinem Wissen anfangen sollte, wusste er nicht. Welchem Zweck diente dieses Ding? Wie mochte es überhaupt entstanden sein? Gab es hier im Palast tatsächlich eine Nihaye, und dies war ihr Werk?
    Er fand den Weg in den

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