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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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unzweifelhaft: die strahlende, werbende Botschaft des lächelnden Greisengesichtes, dessen blaue Augen und zarte Wangenröte mit den Jahren immer lichter geworden waren,
war nicht nur die alte und oft gesehene, sie war vielmehr inniger, geheimnisvoller und intensiver geworden. Erst jetzt, bei der Begrüßung, begann Knecht wirklich zu verstehen, worin eigentlich des Studenten Petrus Anliegen bestand und wie sehr er selbst, indem er diesem Anliegen ein Opfer zu bringen meinte, der Beschenkte sei.
    Sein Freund Carlo Ferromonte, den er einige Stunden später aufsuchte – er war damals Bibliothekar an der berühmten Monteporter Musikbibliothek –, war der erste, dem er davon sprach. Er hat das Gespräch jener Stunde in einem Brief festgehalten.
    »Unser Alt-Musikmeister«, sagte Knecht, »ist ja dein Lehrer gewesen, und du hast ihn sehr geliebt; siehst du ihn eigentlich noch häufig?«
    »Nein«, meinte Carlo, »das heißt, ich sehe ihn natürlich nicht selten, etwa wenn er seine Promenade macht und ich gerade von der Bibliothek komme, aber gesprochen habe ich seit Monaten nicht mit ihm. Er zieht sich mehr und mehr zurück und scheint Geselligkeit nicht mehr wohl zu vertragen. Früher hatte er einen Abend für Leute meinesgleichen, für seine früheren Repetenten, soweit sie jetzt Beamte in Monteport sind; aber das hat schon seit einem Jahr etwa aufgehört, und daß er damals zu Eurer Investitur nach Waldzell gefahren ist, war für uns alle höchst erstaunlich.«
    »Ja«, sagte Knecht, »aber wenn du ihn also doch
zuweilen siehst, ist dir da keine Veränderung an ihm aufgefallen?«
    »O ja, Ihr meint sein gutes Aussehen, seine Heiterkeit, sein merkwürdiges Strahlen. Natürlich haben wir das bemerkt. Während seine Kräfte hinschwinden, nimmt diese Heiterkeit beständig zu. Wir haben uns daran gewöhnt, Euch aber mußte es auffallen.«
    »Sein Famulus Petrus«, rief Knecht, »sieht ihn noch viel öfter als du, aber er hat sich nicht, wie du sagst, daran gewöhnt. Er kam, mit plausibler Begründung natürlich, eigens nach Waldzell gereist, um mich zu diesem Besuch zu veranlassen. Was hältst du von ihm?«
    »Von Petrus? Er ist ein ganz guter Musikkenner, mehr von der pedantischen Art übrigens als von der genialischen, ein etwas schwerfälliger oder schwerblütiger Mensch. Dem Alt-Musikmeister ist er unbedingt ergeben und würde sein Leben für ihn lassen. Ich glaube, sein Dienst bei diesem seinem angebeteten Herrn und Götzen füllt ihn ganz und gar aus, er ist von ihm besessen. Hattet Ihr nicht auch diesen Eindruck?«
    »Besessen? Ja, aber dieser junge Mensch ist, glaube ich, nicht einfach von einer Vorliebe und Leidenschaft besessen, er ist nicht einfach in seinen alten Lehrer verliebt und macht seinen Abgott aus ihm, sondern er ist besessen und bezaubert von einem wirklichen und echten Phänomen, das er besser sieht
oder mit dem Gefühl besser versteht als ihr andern. Ich will dir erzählen, wie es mir erschienen ist. Also ich kam heut zum Alt-Magister, den ich ein halbes Jahr nicht mehr gesehen hatte, und nach den Andeutungen seines Famulus erwartete ich für mich wenig oder nichts von diesem Besuch; ich hatte einfach Angst bekommen, der verehrte alte Herr könne uns nächstens plötzlich verlassen, und eilte her, um ihn mindestens noch einmal zu sehen. Als er mich erkannte und begrüßte, leuchtete sein Gesicht auf, doch sagte er nichts als meinen Namen und gab mir die Hand, und auch diese Bewegung und die Hand schienen mir zu leuchten, der ganze Mann schien, oder doch seine Augen, sein weißes Haar und seine hell rosige Haut, eine leise kühle Strahlung von sich zu geben. Ich setzte mich zu ihm, er schickte den Studenten fort, nur mit einem Blick, und jetzt begann das merkwürdigste Gespräch, das ich je erlebt habe. Anfangs freilich war es für mich sehr befremdend und bedrückend, auch beschämend, denn ich redete den Alten immer wieder an oder stellte Fragen, und auf nichts gab er anders als durch einen Blick Antwort; ich konnte nicht erkennen, ob meine Fragen und Mitteilungen ihn anders denn als ein lästiges Geräusch erreichten. Es verwirrte, enttäuschte und ermüdete mich, ich kam mir so überflüssig und aufdringlich vor; was immer ich dem Meister sagte, darauf bekam ich nur ein Lächeln und einen kurzen
Blick zurück. Ja, wären diese Blicke nicht so voll von Wohlwollen und Herzlichkeit gewesen, so hätte ich denken müssen, der Greis mache sich unverhohlen lustig über mich, über meine Erzählungen

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