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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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machte seinen Garten zu China, seine Hütte zum Tempel, seine Fische zu Gottheiten und ihn selbst zum Weisen! Mit einem Seufzer machte Knecht sich von dieser Vorstellung los. Er war einen anderen Weg gegangen, vielmehr geführt worden, und es kam nur darauf an, diesen ihm nun zugewiesenen Weg gerade und treu zu gehen, nicht ihn mit den Wegen anderer zu vergleichen.
    Mit Tegularius gemeinsam entwarf und komponierte er in ausgesparten Stunden sein Spiel und überließ die ganze Auslesearbeit im Archiv sowie die erste und zweite Aufzeichnung dem Freunde. Mit dem neuen Inhalt gewann die Freundschaft wieder Leben und Form, eine andere als früher, und auch das Spiel, an dem sie arbeiteten, erfuhr durch die Eigenart und spitzfindige Phantasie des Sonderlings manche Veränderung und Bereicherung. Fritz gehörte zu den nie zufriedenen und dennoch genügsamen Leuten, welche über einem gepflückten Blumenstrauß, einem gedeckten Eßtisch, der für jeden andern fertig und vollendet ist, Stunde um Stunde mit unruhigem Behagen und rastlosen, liebevollen Handgriffen weiter sich zu betätigen und aus der kleinsten Arbeit ein emsig und innig betreutes Tagewerk zu machen wis
sen. Es blieb nun auch in den kommenden Jahren dabei: das große solenne Spiel war jedesmal eine Leistung von zweien, und für Tegularius war es eine doppelte Genugtuung, sich dem Freund und Meister in einer so wichtigen Sache brauchbar, ja unentbehrlich zu zeigen und die öffentliche Begehung des Spieles als ungenannter, der Elite aber wohlbekannter Mitschöpfer mitzuerleben.
    Im Spätherbst jenes ersten Amtsjahres nun, während sein Freund noch bei seinen ersten Chinastudien war, stieß der Magister eines Tages beim raschen Durchsehen der Einträge im Tagebuch seiner Kanzlei auf eine Notiz: »Student Petrus aus Monteport kommt an, empfohlen vom Magister Musicae, bringt spezielle Grüße vom Alt-Musikmeister, bittet um Unterkunft und Zulaß ins Archiv. Wurde im Studentengasthaus untergebracht.« Nun, den Studenten und sein Gesuch konnte er ruhig den Leuten vom Archiv überlassen, es war etwas Alltägliches. Aber »spezielle Grüße vom Alt-Musikmeister«, das konnte nur ihn selber angehen. Er ließ sich den Studenten kommen; es war ein zugleich grüblerisch und feurig aussehender, doch schweigsamer junger Mann und gehörte offenbar zur Elite von Monteport, wenigstens schien die Audienz bei einem Magister ihm etwas Gewohntes zu sein. Knecht fragte, was der Alt-Musikmeister ihm aufgetragen habe. »Grüße«, sagte der Student, »sehr herzliche und respektvolle Grüße
für Euch, Ehrwürdiger, und auch eine Einladung.« Knecht forderte den Gast auf, sich zu setzen. Sorgfältig die Worte wählend, fuhr der Jüngling fort: »Der verehrte Alt-Magister hat mir, wie gesagt, angelegentlich aufgetragen, Euch von ihm zu grüßen. Dabei hat er den Wunsch angedeutet, Euch nächstens, und zwar möglichst bald, einmal bei sich zu sehen. Er lädt Euch ein oder legt Euch nahe, ihn in nächster Zeit aufzusuchen, vorausgesetzt natürlich, daß der Besuch sich in eine Dienstreise einbeziehen lasse und Euch nicht allzusehr versäume. So etwa lautet der Auftrag.«
    Knecht blickte den jungen Mann prüfend an; gewiß gehörte er zu den Schützlingen des Alten. Vorsichtig stellte er die Frage: »Wie lang gedenkst du dich bei uns im Archiv aufzuhalten, Studiose?« und bekam die Antwort: »Genau so lange, ehrwürdiger Herr, bis ich sehe, daß Ihr die Reise nach Monteport antretet.«
    Knecht überlegte. »Gut«, sagte er dann. »Und warum hast du mir das, was der Altmeister dir für mich auftrug, nicht im Wortlaut übermittelt, wie es eigentlich zu erwarten wäre?«
    Petrus erwiderte Knechts Blick beharrlich und gab langsam Bescheid, immer behutsam nach den Worten suchend, als müsse er sich in einer fremden Sprache ausdrücken. »Es gibt keinen Auftrag, Ehrwürdiger«, sagte er, »und es gibt keinen Wortlaut. Ihr ken
net meinen verehrten Meister und wißt, er war immer ein außerordentlich bescheidener Mann; in Monteport erzählt man, in seiner Jugend, als er noch Repetent war, aber schon bei der ganzen Elite für den prädestinierten Musikmeister galt, habe diese ihm den Spottnamen gegeben ›der große Gerneklein‹. Nun, diese Bescheidenheit, und nicht minder seine Pietät, seine Dienstbereitschaft, Rücksichtnahme und Duldung hat sich, seit er alt wurde, und vollends, seit er sein Amt niedergelegt hat, noch vermehrt, Ihr wißt das ohne Zweifel besser als ich. Diese Bescheidenheit

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