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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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nicht so? War es etwas anderes, war es mehr für dich?«
    Er war, obwohl sichtlich sehr bemüht, sich zu beherrschen, in große Erregung geraten, es schien da etwas in vielen Jahren Angehäuftes, Unbewältigtes sich entladen zu wollen.
    »Du greifst vor«, sagte Knecht sehr behutsam. »Was es für mich war, davon werden wir sprechen, wenn ich an der Reihe sein und Rechenschaft ablegen werde. Jetzt hast du das Wort, Plinio. Ich sehe, daß jene Begegnung nicht angenehm für dich war. Sie war es damals auch für mich nicht. Und nun erzähle weiter, wie es damals war. Sprich rückhaltlos!«
    »Ich will es versuchen«, meinte Plinio. »Vorwürfe will ich dir ja nicht etwa machen. Ich muß dir auch zugestehen, daß du dich damals vollkommen korrekt gegen mich benommen hast, ja mehr als das. Als ich deiner jetzigen Einladung hierher nach Waldzell folgte, das ich seit jenem zweiten Ferienkurs nie mehr wiedergesehen hatte, ja schon als ich die Wahl zum Mitglied der Kommission für Kastalien annahm, war es meine Absicht, mich dir und dem damaligen Erlebnis zu stellen, einerlei ob es uns beiden angenehm sein möchte oder nicht. Und nun will ich fortfahren. Ich war zum Ferienkurs gekommen und im Gästehaus einquartiert worden. Die Teilnehmer am Kurs waren beinahe alle ungefähr in meinem Alter, einige sogar bedeutend älter; wir waren höchstens zwanzig Leute, größtenteils Kastalier, aber entweder schlechte, gleichgültige, verwahrloste Glasperlenspieler oder aber Anfänger, denen es erst so spät eingefallen war, sich auch ein wenig mit dem Spiel bekannt zu machen; es war mir eine Erleichterung, daß keiner von ihnen mit mir bekannt war. Obwohl unser Kursleiter, einer der Gehilfen des Archivs, sich brav Mühe gab und auch sehr freundlich gegen uns war, hatte die Sache doch beinah von Anfang an etwas vom Charakter einer zweitrangigen und nutzlosen Schule, eines Strafkurses etwa, dessen zufällig zusammengewürfelte Teilnehmer an einen wirklichen Sinn und Erfolg ebensowenig glauben wie der Lehrer, wenn
auch keiner das zugibt. Man konnte sich verwundert fragen, warum denn diese Handvoll Leute sich da zusammengetan habe, um freiwillig etwas zu betreiben, wofür ihre Kraft nicht ausreichte, ihr Interesse nicht stark genug war, um sie zu Ausdauer und Opfern zu befähigen, und warum ein gelehrter Fachmann sich dazu hergab, ihnen einen Unterricht zu geben und sie mit Übungen zu beschäftigen, von welchen er sich selber kaum viel Erfolg versprechen konnte. Ich wußte es damals nicht, erfuhr es erst viel später durch Erfahrenere, daß ich mit diesem Kurs ausgesprochen Pech hatte, daß eine etwas andere Zusammensetzung der Teilnehmer ihn hätte anregend und fördernd, ja begeisternd machen können. Es genügen oft, so sagte man mir später, zwei Teilnehmer, die sich aneinander entzünden oder die sich schon vorher kannten und nahestanden, um einem solchen Kurs samt allen seinen Teilnehmern und seinem Lehrer einen Schwung nach oben zu geben. Du bist Glasperlenspielmeister, du mußt das ja kennen. Nun, ich hatte also Pech, es fehlte die kleine belebende Zelle in unsrer Zufallsgemeinschaft, es kam nicht zu einer Erwärmung, nicht zu einem Aufschwung, es war und blieb ein matter Repetierkurs für erwachsene Schulknaben. Die Tage gingen hin, die Enttäuschung wuchs mit jedem. Nun war aber außer dem Glasperlenspiel ja auch noch Waldzell da, für mich ein Ort heiliger und wohlgehüteter Erinnerungen, und wenn
der Spielkurs versagte, so blieb mir doch die Feier einer Heimkehr, die Berührung mit Kameraden von einst, vielleicht auch ein Wiedersehen mit jenem Kameraden, an den ich die meisten und stärksten Erinnerungen bewahrte und der für mich mehr als irgendeine andere Gestalt unser Kastalien repräsentierte: mit dir, Josef. Wenn ich ein paar von meinen Jugend- und Schulgenossen wiedersah, wenn ich auf meinen Gängen durch die schöne, so sehr geliebte Gegend den guten Geistern meiner Jünglingsjahre wieder begegnete, wenn auch du etwa mir wieder nahekommen solltest und sich in Gesprächen wie einst eine Auseinandersetzung ergäbe, weniger zwischen dir und mir als zwischen meinem Kastalienproblem und mir selbst, dann war es um diese Ferien nicht schade, dann mochte der Kurs und alles andre dreingegeben werden.«
    Die zwei Kameraden aus meiner Schulzeit, die mir zuerst über den Weg liefen, waren harmlos, sie klopften mir erfreut auf die Schulter und stellten Kinderfragen nach meinem sagenhaften Weltleben. Die paar andern aber waren nicht

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