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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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so harmlos, sie gehörten zum Spielerdorf und zur jüngeren Elite, und sie stellten keine naiven Fragen, sondern grüßten mich, wenn man sich in einem der Räume deines Heiligtums begegnete und man mir nicht ausweichen konnte, mit einer spitzen, etwas überanstrengten Höflichkeit, vielmehr Leutseligkeit, und konnten ihr Beschäf
tigtsein mit Wichtigem und mir Unzugänglichem, ihren Mangel an Zeit, an Neugierde, an Teilnahme, an Willen zur Erneuerung der alten Bekanntschaft gar nicht genug betonen. Nun, ich habe mich ihnen nicht aufgedrängt, ich ließ sie in Ruhe, in ihrer olympischen, heiteren, spöttischen, kastalischen Ruhe. Ich blickte zu ihnen und ihrem geschäftig heiteren Tag hinüber wie ein Gefangener durchs Gitter, oder wie Arme, Hungernde und Unterdrückte zu den Aristokraten und Reichen hinüberblicken, den Heiteren, Hübschen, Gebildeten, Wohlerzogenen, Wohlausgeruhten mit den gepflegten Gesichtern und Händen.
    »Und nun erschienst du, Josef, und Freude und neue Hoffnung erhoben sich in mir, als ich dich sah. Du gingst über den Hof, ich erkannte dich von hinten am Gang und rief dich gleich mit Namen an. Endlich ein Mensch! dachte ich, endlich ein Freund, vielleicht auch ein Gegner, aber einer, mit dem man reden kann, ein Urkastalier zwar, aber einer, bei dem das Kastalische nicht zu Maske und Panzer erstarrt war, ein Mensch, ein Verstehender! Du mußtest es merken, wie froh ich war und wieviel ich von dir erwartete, und in der Tat bist du mir ja auch mit der größten Artigkeit entgegengekommen. Du kanntest mich noch, ich bedeutete dir noch etwas, es machte dir Freude, mein Gesicht wiederzusehen. Und so blieb es denn auch nicht bei der kurzen frohen Begrüßung auf dem Hof, sondern du hast mich eingeladen und
hast mir einen Abend gewidmet, geopfert. Aber, lieber Knecht, was für ein Abend ist das gewesen! Wie haben wir uns darum geplagt, beide, recht aufgeräumt zu erscheinen, recht höflich und beinah kameradschaftlich miteinander zu sein, und wie schwer ist es uns geworden, das lahme Gespräch von einem Thema zum andern zu schleppen! Waren die andern gleichgültig gegen mich gewesen, dies mit dir war schlimmer, diese angestrengte und nutzlose Bemühung um eine einmal gewesene Freundschaft tat viel weher. Jener Abend machte endgültig meinen Illusionen ein Ende, es wurde mir unerbittlich klargemacht, daß ich kein Kamerad und Gleichstrebender, kein Kastalier, kein Mensch von Rang sei, sondern ein lästiger, sich anbiedernder Tölpel, ein ungebildeter Ausländer, und daß es in so korrekter und schöner Form geschah und die Enttäuschung und Ungeduld so tadellos maskiert blieb, schien mir eigentlich noch das Schlimmste daran. Hättest du mich gescholten und mir Vorwürfe gemacht, hättest du mich angeklagt: ›Was ist aus dir geworden, Freund, wie konntest du so verkommen?‹, ich wäre glücklich und das Eis wäre gebrochen gewesen. Aber nichts von alledem. Ich sah, es war nichts mit meiner Zugehörigkeit zu Kastalien, nichts mit meiner Liebe zu euch und meinen Studien im Glasperlenspiel, nichts mit unserer Kameradschaft. Repetent Knecht hatte meinen lästigen Besuch in Waldzell entgegengenommen,
er hatte sich einen Abend lang mit mir geplagt und gelangweilt und hatte mich nun in höchst einwandfreier Form wieder hinauskomplimentiert.«
    Designori, mit seiner Erregung kämpfend, brach ab und blickte mit gequältem Gesicht zum Magister hinüber. Der saß, ganz aufmerksamer Hörer, hingegeben, aber selbst nicht im mindesten erregt, und sah seinen alten Freund mit einem Lächeln an, das voll freundlicher Teilnahme war. Da der andre nicht weitersprach, ließ Knecht seinen Blick auf ihm ruhen, voll Wohlwollen und mit einem Ausdruck von Befriedigung, ja von Vergnügen, dem der Freund eine Minute oder länger finster standhielt.
    »Du lachst?« rief Plinio dann heftig, doch nicht böse. »Du lachst? Du findest alles in Ordnung?«
    »Ich muß sagen«, lächelte Knecht, »du hast den Vorgang ausgezeichnet dargestellt, ganz ausgezeichnet, es war genau so, wie du es schilderst, und vielleicht war sogar der Rest von Beleidigtsein und Anklage in deiner Stimme nötig, um es so herauszubringen und mir die Szene so vollkommen wieder gegenwärtig zu machen. Auch hast du, obwohl du leider sichtlich die Sache noch immer etwas mit den Augen von damals ansiehst und etwas an ihr nicht verwunden hast, deine Geschichte objektiv richtig erzählt, die Geschichte von zwei jungen Menschen in einer etwas peinlichen Situation,

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