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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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die sich beide etwas verstellen müssen und von denen einer, nämlich du, den Fehler
beging, sein wirkliches und ernstliches Leiden unter der Situation ebenfalls hinter flottem Auftreten zu verbergen, statt das Maskenspiel zu durchbrechen. Es scheint sogar ein wenig so, als rechnest du noch heute die Ergebnislosigkeit jener Begegnung mehr mir als dir zu, obwohl es ja durchaus an dir gewesen wäre, die Situation zu ändern. Hast du das wirklich nicht gesehen? Aber geschildert hast du es sehr gut, das muß ich sagen. Ich habe in der Tat die ganze Bedrücktheit und Verlegenheit jener wunderlichen Abendstunde wieder empfunden, ich habe wieder für Augenblicke um die Haltung kämpfen zu müssen geglaubt und mich für uns beide ein wenig geschämt. Nein, deine Erzählung stimmt genau. Es ist ein Vergnügen, so erzählen zu hören.«
    »Nun«, begann Plinio etwas verwundert, und noch klang etwas Kränkung und Mißtrauen in seiner Stimme mit, »es ist ja erfreulich, wenn wenigstens einem von uns meine Erzählung Spaß gemacht hat. Mir, mußt du wissen, war es gar nicht um Spaß zu tun.«
    »Aber jetzt«, sagte Knecht, »jetzt siehst du doch, wie heiter wir diese Geschichte, die ja für uns beide nicht eben ruhmvoll ist, betrachten können? Lachen können wir über sie.«
    »Lachen? Warum denn?«
    »Weil diese Geschichte von dem Exkastalier Plinio, der sich um das Glasperlenspiel bemüht und um die Anerkennung der einstigen Kameraden, vergan
gen und gründlich abgetan ist, ebenso wie die von dem höflichen Repetenten Knecht, der trotz aller kastalischen Formen seine Verlegenheit vor dem hereingeschneiten Plinio so wenig zu verbergen wußte, daß sie ihm heut nach so vielen Jahren wie im Spiegel wieder vorgehalten werden konnte. Nochmals, Plinio, du hast ein gutes Gedächtnis, gut hast du erzählt, ich hätte es nicht so gekonnt. Ein Glück für uns, daß die Geschichte so ganz abgetan ist und wir über sie lachen können.«
    Designori war verwirrt. Wohl spürte er die gute Laune des Magisters als etwas Angenehmes und Herzliches, von allem Spott weit entfernt, und spürte auch, daß hinter der Heiterkeit ein großer Ernst liege, doch hatte er beim Erzählen allzu schmerzlich die Bitterkeit jenes Erlebnisses wieder gefühlt, und seine Erzählung hatte zu sehr den Charakter einer Beichte gehabt, als daß er ohne weiteres die Tonart hätte wechseln können.
    »Du vergißt vielleicht doch«, sagte er zögernd, wenn auch schon halb umgestimmt, »daß das, was ich erzählte, für mich nicht dasselbe war wie für dich. Für dich war es eine Unannehmlichkeit, höchstens, für mich eine Niederlage und ein Zusammenbruch, und übrigens auch der Beginn wichtiger Änderungen in meinem Leben. Als ich damals, kaum war der Kurs zu Ende, Waldzell verließ, beschloß ich, nie hierher wiederzukehren, und war nahe daran, Kastalien
und euch alle zu hassen. Ich hatte meine Illusionen verloren und eingesehen, daß ich nicht mehr zu euch gehöre, vielleicht auch früher schon nicht so ganz zu euch gehört hatte, wie ich mir einbildete, und es fehlte gar nicht viel, so wäre ich zu einem Renegaten und zu eurem ausgesprochenen Feind geworden.«
    Heiter und zugleich durchdringend blickte der Freund ihn an.
    »Gewiß«, sagte er, »und dies alles wirst du mir ja, so hoffe ich, nächstens auch noch erzählen. Aber für heute ist unsre Lage, so scheint mir, doch diese: wir waren in früher Jugend Freunde, wurden getrennt und gingen sehr verschiedene Wege; dann trafen wir uns wieder, das war damals bei deinem unglücklichen Ferienkurs, du warst ein halber oder ganzer Weltmensch geworden, ich ein etwas dünkelhafter und auf kastalische Formen bedachter Waldzeller, und dieses enttäuschenden und beschämenden Wiedersehens haben wir heute uns erinnert. Wir sahen uns selber und unsere damalige Verlegenheit wieder, und wir konnten den Anblick ertragen und können dazu lachen, denn es ist ja heute alles völlig anders. Ich will auch nicht verhehlen, daß der Eindruck, den du mir damals machtest, mich in der Tat in große Verlegenheit brachte, es war ein durchaus unangenehmer, negativer Eindruck, ich wußte nichts mit dir anzufangen, du erschienst mir auf eine unerwartete, bestürzende und aufreizende Weise unfertig, grob,
weltlich. Ich war ein junger Kastalier, der die Welt nicht kannte und eigentlich auch nicht kennen wollte, und du, nun du warst ein junger Fremdling, von dem ich nicht recht begriff, wozu er uns aufsuchte und warum er einen Spielkurs mitmachte,

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