Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
Vom Netzwerk:
Könnt Ihr Euch an die Legende vom heiligen Christophorus erinnern? Ja? Also dieser Christophorus war ein Mann von großer Kraft und Tapferkeit, er wollte aber nicht Herr werden und regieren, sondern dienen, das Dienen war seine Stärke und Kunst, darauf verstand er sich. Doch war es ihm nicht einerlei, wem er diene. Es mußte der größte, der mächtigste Herr sein. Und wenn er von einem Herrn hörte, der noch mächtiger war als sein bisheriger, so bot er diesem seine Dienste an. Dieser große Diener hat mir immer gefallen, und ein wenig muß ich ihm ähnlich sein. Wenigstens habe ich in der einzigen Zeit meines Lebens, in der ich über
mich selbst zu verfügen hatte, in den Studentenjahren, lange gesucht und geschwankt, welchem Herrn ich dienen solle. Ich habe gegen das Glasperlenspiel, das ich doch längst als die kostbarste und eigenste Frucht unsrer Provinz erkannt hatte, jahrelang mich gewehrt und mißtrauisch verhalten. Ich hatte den Köder gekostet und wußte, daß es Reizvolleres und Differenzierteres auf Erden nicht gab, als sich dem Spiel zu ergeben, hatte auch schon ziemlich früh gemerkt, daß dies entzückende Spiel nicht naive Feierabendspieler verlange, sondern den, der es sich einmal ein Stück weit zu eigen gemacht hatte, ganz und gar verlangte und in seinen Dienst zog. Und mich nun mit allen meinen Kräften und Interessen für immer diesem Zauber zu verschreiben, dagegen wehrte sich in mir ein Instinkt, ein naives Gefühl für das Einfache, für das Ganze und Gesunde, das mich vor dem Geist des Waldzeller Vicus Lusorum warnte als vor einem Spezialisten- und Virtuosengeist, einem hochkultivierten, äußerst reich durchgearbeiteten Geist zwar, der aber doch vom Ganzen des Lebens und Menschentums abgetrennt war und sich in eine hochmütige Einsamkeit verstiegen hatte. Jahre habe ich gezweifelt und geprüft, bis der Entschluß reif war und ich mich trotz allem für das Spiel entschied. Ich tat es, weil eben jener Drang in mir war, das Höchste an Erfüllung zu suchen und nur dem größten Herrn zu dienen.«
    »Ich verstehe«, sagte Meister Alexander. »Aber wie ich es auch betrachte und wie Ihr es auch darstellen möget, ich stoße stets auf denselben Grund für alle Eure Eigenartigkeiten. Ihr habt ein Zuviel an Gefühl für Eure eigene Person, oder an Abhängigkeit von ihr, was keineswegs dasselbe ist wie eine große Persönlichkeit sein. Einer kann ein Stern erster Ordnung sein an Begabung, Willenskraft, Ausdauer, aber so gut zentriert, daß er in dem System, dem er angehört, ohne jede Reibung und Energievergeudung mitschwingt. Ein andrer hat dieselben hohen Gaben, noch schönere vielleicht, aber die Achse geht nicht genau durchs Zentrum, und er verschwendet die Hälfte seiner Kraft in exzentrischen Bewegungen, die ihn selber schwächen und seine Umwelt stören. Zu dieser Art müßt Ihr gehören. Nur muß ich freilich gestehen, Ihr habt das vortrefflich zu verbergen verstanden. Desto heftiger scheint das Übel jetzt sich zu entladen. Ihr erzählt mir vom heiligen Christophorus, und ich muß sagen: wenn diese Gestalt auch etwas Großartiges und Rührendes hat, ein Vorbild für einen Diener unserer Hierarchie ist sie nicht. Wer dienen will, soll dem Herrn dienen, dem er geschworen hat, auf Gedeih und Verderb, und nicht mit dem heimlichen Vorbehalt, den Herrn zu wechseln, sobald er einen prächtigeren findet. Der Diener macht sich damit zum Richter seiner Herren, und genau dasselbe tut ja Ihr auch. Ihr wollt nur immer
dem höchsten Herrn dienen und seid so treuherzig, über den Rang der Herren, zwischen denen Ihr wählt, selber zu entscheiden.«
    Aufmerksam hatte Knecht zugehört, nicht ohne daß ein Schatten von Traurigkeit über sein Gesicht ging. Er fuhr fort: »Euer Urteil in Ehren, ich habe es nicht anders erwarten können. Aber laßt mich weiter erzählen, noch ein wenig. Ich bin also Glasperlenspieler geworden und hatte nun in der Tat für eine gute Weile die Überzeugung, dem höchsten aller Herren zu dienen. Wenigstens hat mein Freund Designori, unser Gönner beim Bundesrat, mir einmal äußerst anschaulich geschildert, was für ein arroganter, hochnäsiger, blasierter Spielvirtuos und Elitehirsch ich einst gewesen bin. Aber ich muß Euch noch sagen, welche Bedeutung seit den Studentenjahren und dem ›Erwachen‹ für mich das Wort Transzendieren gehabt hat. Es war mir, glaube ich, beim Lesen eines aufklärerischen Philosophen und unter dem Einfluß des Meister Thomas von der Trave zugeflogen

Weitere Kostenlose Bücher