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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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einer kleinen neuen Knospe fortleben konnten. Seufzend, knirschend und lächelnd nahm er es auf sich.
    Und auch in diesem wichtigen, vielleicht verantwortungsvollsten Bezirk seines Amtes, dem Weitergeben des Überlieferten und Erziehen von Nachfolgern, blieb dem Wettermacher eine sehr schwere und bittre Erfahrung und Enttäuschung nicht erspart. Der erste Lehrling, der sich um seine Gunst bemühte und ihn nach langem Warten und Abwehren
zum Meister bekam, hieß Maro und brachte ihm eine niemals ganz zu verwindende Enttäuschung. Er war unterwürfig und schmeichlerisch und spielte lange Zeit den unbedingt Gehorsamen, es fehlte ihm aber an diesem und jenem, es fehlte ihm an Mut vor allem, er fürchtete namentlich die Nacht und Dunkelheit, was er zu verheimlichen suchte und was Knecht, wenn er es doch bemerkte, noch lange Zeit für einen Rest von Kindheit hielt, der sich verlieren werde. Er verlor sich aber nicht. Es fehlte diesem Schüler auch völlig die Gabe, sich selbstlos und absichtslos an das Beobachten, an die Verrichtungen und Vorgänge des Berufs, an Gedanken und Ahnungen hinzugeben. Er war klug, ein heller, schneller Verstand war ihm eigen, und er lernte das, was ohne Hingabe gelernt werden kann, leicht und sicher. Aber mehr und mehr zeigte sich, daß er selbstsüchtige Absichten und Ziele hatte, derentwegen er die Regenmacherei erlernen wollte. Vor allem wollte er etwas gelten, eine Rolle spielen und Eindruck machen, er hatte die Eitelkeit des Begabten, aber nicht Berufenen. Er strebte nach Beifall, prahlte vor seinen Altersgenossen mit seinen ersten Kenntnissen und Künsten – auch das mochte kindlich sein und konnte sich vielleicht bessern. Aber er suchte nicht nur Beifall, sondern strebte nach Macht über andre und nach Vorteil; als der Meister dies zu merken begann, erschrak er und zog allmählich sein Herz von dem Jüngling ab.
Dieser wurde zweimal und dreimal schwerer Verfehlungen überführt, nachdem er schon mehrere Jahre bei Knecht gelernt hatte. Er ließ sich verleiten, eigenmächtig, ohne Wissen und Erlaubnis seines Meisters und gegen Geschenke bald ein erkranktes Kind mit Arznei zu behandeln, bald in einer Hütte Beschwörungen gegen die Rattenplage vorzunehmen, und als er trotz allen Drohungen und Versprechen nochmals bei ähnlichen Praktiken ertappt wurde, entließ ihn der Meister aus seiner Lehre, zeigte die Sache der Ahnmutter an und versuchte, den undankbaren und unbrauchbaren jungen Menschen aus seinem Gedächtnis auszutilgen.
    Es entschädigten ihn dann seine beiden späteren Schüler und ganz besonders der zweite von ihnen, der sein eigener Sohn Turu war. Diesen jüngsten und letzten seiner Lehrlinge und Jünglinge liebte er sehr und glaubte, daß mehr aus ihm werden könne, als er selbst sei, sichtlich war seines Großvaters Geist in ihm wiedergekehrt. Knecht erlebte die seelenstärkende Genugtuung, die Summe seines Wissens und Glaubens an die Zukunft weitergegeben zu haben und einen Menschen zu wissen, zwiefach sein Sohn, dem er jeden Tag sein Amt übergeben konnte, wenn es ihm selber zu mühsam würde. Aber jener mißratene erste Schüler ließ sich dennoch aus seinem Leben und seinen Gedanken nicht wieder hinwegbannen, er wurde im Dorfe ein zwar nicht hochgeehrter, aber
doch bei vielen höchst beliebter und nicht einflußloser Mann, er hatte geheiratet, war als eine Art Gaukler und Spaßmacher beliebt, war sogar Obertrommler im Trommlerchor und blieb ein heimlicher Feind und Neider des Regenmachers, von welchem dieser manchen kleinen und auch großen Tort erleiden mußte. Knecht war niemals ein Mann der Freundschaften und des Zusammensitzens gewesen, er brauchte Alleinsein und Freiheit, er hatte nie um Achtung oder Liebe geworben, es sei denn einst als Knabe beim Meister Turu. Aber nun bekam er doch zu fühlen, was es ist, einen Feind und Hasser zu haben; es verdarb ihm manchen Tag seines Lebens.
    Maro hatte zu jener Art von Schülern gehört, zu jener sehr begabten Art, welche trotz ihrer Begabung zu allen Zeiten den Lehrern unangenehm und lästig ist, weil bei ihnen das Talent nicht eine von unten und innen her gewachsene und begründete organische Stärke ist, das zarte adelnde Stigma einer guten Natur, eines tüchtigen Blutes und eines tüchtigen Charakters, sondern gleichsam etwas Angeflogenes, Zufälliges, ja Usurpiertes oder Gestohlenes. Ein Schüler von geringem Charakter, aber hohem Verstand oder glänzender Phantasie bringt unweigerlich den Lehrer in Verlegenheit: er soll

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