Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften
immer war der Mond im Rückstand, niemals trafen die verschiedenen Zeichen zusammen, deren es bedurfte, um den Tag der Aussaat zu bestimmen, dürftig blühten die Blumen der Wildnis, tot hingen die geschlossenen Knospen an den Zweigen. Knecht war sehr bekümmert, ohne es sich anmerken zu lassen, nur Ada und namentlich Turu sahen, wie es an ihm zehrte. Er nahm nicht nur die üblichen Beschwörungen vor, sondern brachte auch private, persönliche Opfer dar, kochte für die Dämonen wohlriechende, wollüstig machende Breie und Aufgüsse, schnitt sich den Bart kurz und verbrannte die Haare in der Neumondnacht, vermengt mit Harz und feuchter Rinde, einen dicken Rauch erzeugend. Solange als möglich vermied er die öffentlichen Veranstaltungen, das Gemeindeopfer, die Bittgänge, die Trommlerchöre, solange als irgend möglich ließ er das verwünschte Wetter dieses bösen Frühlings seine Privatsorge sein. Immerhin mußte er, als der übliche Termin der Aussaat schon erheblich überschritten war, der Ahnmutter Bericht erstatten; und siehe, auch hier stieß er auf Unglück und Widerwärtigkeit. Die alte Ahnfrau, ihm gut Freund und beinah mütterlich wohlgesinnt, empfing ihn nicht, sie fühlte sich schlecht, lag im Bett, alle Pflichten und Besorgnisse hatte sie ihrer Schwester übergeben, und diese Schwester war gegen den Regenmacher recht kühl gesinnt, sie hatte nicht das
strenge, gerade Wesen der Älteren, neigte etwas zu Zerstreuungen und Spielereien, und dieser Hang hatte ihr den Trommler und Gaukler Maro zugeführt, der verstand, ihr angenehme Stunden zu bereiten und ihr zu schmeicheln, und Maro war Knechts Feind. Gleich bei der ersten Unterredung witterte Knecht die Kühle und Abneigung, obwohl ihm mit keinem Wort widersprochen wurde. Seine Darlegungen und Vorschläge, nämlich mit der Aussaat und auch mit etwaigen Opfern und Umgängen noch zu warten, wurden gutgeheißen und angenommen, aber die Alte hatte ihn doch kalt und wie einen Untergebenen empfangen und behandelt, und sein Wunsch, die kranke Ahnmutter sehen oder ihr doch Arznei bereiten zu dürfen, wurde abschlägig beschieden. Betrübt und wie ärmer geworden, mit einem schlechten Geschmack im Gaumen, kam er von dieser Unterredung zurück, und einen halben Mond lang bemühte er sich auf seine Weise, eine Witterung zu schaffen, welche die Aussaat erlaubt hätte. Aber das Wetter, oft so gleichgerichtet mit den Strömungen seines Innern, verhielt sich hartnäckig höhnisch und feindselig, nicht Zauber noch Opfer schlug an. Es blieb dem Regenmacher nicht erspart, er mußte nochmals zur Schwester der Ahnmutter, diesmal war es schon wie ein Bitten um Geduld, um Aufschub; und er merkte sogleich, daß sie mit Maro, dem Hanswurst, über ihn und seine Sache müsse gesprochen
haben, denn beim Gespräch über die Notwendigkeit, den Säetag zu bestimmen oder aber öffentliche Bittzeremonien anzuordnen, spielte das alte Weib allzusehr die Allwissende und brauchte einige Ausdrücke, die sie nur von Maro haben konnte, dem einstigen Regenmacherlehrling. Knecht bat sich noch drei Tage aus, stellte alsdann die gesamte Konstellation neu und günstiger dar und legte die Aussaat auf den ersten Tag des dritten Mondviertels. Die Alte fügte sich und sprach den rituellen Spruch dazu; der Beschluß wurde dem Dorf verkündigt, alles rüstete sich zur Saatfeier. Und nun, wo für eine Weile alles wieder geordnet schien, zeigten die Dämonen von neuem ihre Mißgunst. Ausgerechnet einen Tag vor der ersehnten und vorbereiteten Aussaatfeier starb die alte Ahnmutter, die Feier mußte verschoben und statt ihrer die Bestattung angesagt und vorbereitet werden. Es war eine Feier ersten Ranges; hinter der neuen Dorfmutter, ihren Schwestern und Töchtern hatte der Regenmacher seinen Platz, im Ornat der großen Bittgänge, unter der hohen spitzen Fuchsfellmütze, von seinem Sohn Turu assistiert, der die zweitönige Hartholzklapper schlug. Der Verstorbenen sowohl wie ihrer Schwester, der neuen Ältesten, wurde viel Ehre erwiesen. Maro mit den von ihm angeführten Trommlern drängte sich stark vor und fand Beachtung und Beifall. Das Dorf weinte und feierte, es genoß Wehklage und Festtag, Trommelmusik und Opfer, es war
ein schöner Tag für alle, aber die Aussaat war wieder verschoben. Knecht stand würdig und gefaßt, war aber tief bekümmert; es schien ihm, als begrabe er mit der Ahnmutter alle guten Zeiten seines Lebens.
Bald darauf fand, auf Wunsch der neuen Ahnmutter ebenfalls mit besonderer
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