Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften
Großartigkeit, die Aussaat statt. Feierlich umschritt die Prozession die Felder, feierlich streute die Alte die ersten Hände voll Samen ins Gemeindeland, zu beiden Seiten gingen ihre Schwestern, jede einen Beutel mit Körnern tragend, aus dem die Älteste schöpfte. Knecht atmete ein wenig auf, als diese Begehung endlich vollzogen war.
Aber die so festlich ausgesäte Frucht sollte keine Freude und keine Ernte bringen, es war ein gnadenloses Jahr. Mit einem Rückfall in Winter und Frost beginnend, übte das Wetter in diesem Frühling und Sommer alle nur ersinnlichen Tücken und Feindseligkeiten, und im Sommer, als endlich ein dünnstehendes, halb hohes, mageres Wachstum die Felder bedeckte, kam das Letzte und Schlimmste, eine ganz unerhörte Trockenheit, wie seit Menschengedenken keine gewesen war. Woche um Woche kochte die Sonne im weißlichen Hitzedunst, die kleineren Bäche versiegten, vom Dorfweiher blieb nur ein schmutziger Sumpf übrig, Paradies der Libellen und einer ungeheuerlichen Brut von Stechmücken, in der dürren Erde klafften die Spalten tief, man konnte zusehen, wie die Ernte erkrankte und abdorrte. Je und je zog
sich Gewölk zusammen, aber die Gewitter blieben trocken, und fiel einmal ein Spritzer Regen, so folgte ihm tagelang ein dörrender Ostwind, oft schlug der Blitz in hohe Bäume, deren halbverdorrte Wipfel in schnell verloderten Feuern verbrannten.
»Turu«, sagte Knecht eines Tages zu seinem Sohn, »diese Sache wird nicht gut ausgehen, wir haben alle Dämonen gegen uns. Mit dem Sternenfall hat es angefangen. Es wird mir, so denke ich, das Leben kosten. Merke dir: wenn ich geopfert werden muß, dann trittst du in der gleichen Stunde mein Amt an, und als erstes verlangst du, daß mein Leib verbrannt und die Asche auf die Felder gestreut wird. Ihr werdet einen Winter mit großem Hunger haben. Aber das Unheil wird dann gebrochen sein. Du mußt sorgen, daß niemand das Saatgut der Gemeinde angreift, es muß Todesstrafe darauf stehen. Das kommende Jahr wird besser werden, und man wird sagen: gut, daß wir den neuen, jungen Wettermacher haben.«
Im Dorf herrschte Verzweiflung, Maro hetzte, nicht selten wurden dem Regenmacher Drohungen und Verwünschungen zugerufen. Ada wurde krank und lag von Erbrechen und Fiebern geschüttelt. Die Umgänge, die Opfer, die langen, herzerschütternden Trommelchöre konnten nichts mehr gutmachen. Knecht leitete sie, es war sein Amt, aber wenn die Leute wieder auseinanderliefen, stand er allein, ein gemiedener Mann. Er wußte, was notwendig war, und wußte
auch, daß Maro schon von der Ahnmutter seine Opferung verlangt hatte. Seiner Ehre und seinem Sohn zuliebe tat er den letzten Schritt: er bekleidete Turu mit dem großen Ornat, nahm ihn mit zur Ahnmutter, empfahl ihn als seinen Nachfolger und legte selber sein Amt nieder, indem er sich zum Opfer anbot. Sie sah ihn eine kleine Weile neugierig prüfend an, dann nickte sie und sagte ja.
Die Opferung wurde noch am selben Tage vollzogen. Das ganze Dorf wäre mitgegangen, aber es lagen viele an der Ruhr krank, auch Ada lag schwer krank. Turu in seinem Ornat mit der hohen Fuchsfellmütze wäre beinah einem Hitzschlag erlegen. Alle Angesehenen und Würdenträger, soweit sie nicht krank lagen, kamen mit, die Ahnmutter mit zwei Schwestern, die Ältesten, der Vorstand des Trommlerchors, Maro. Hinterher folgte ungeordnet der Volkshaufe. Beschimpft wurde der alte Regenmacher von keinem, es ging recht schweigsam und beklommen zu. Man zog in den Wald und suchte dort eine große rundliche Lichtung auf, sie hatte Knecht selbst zum Ort der Handlung bestimmt. Die meisten Männer hatten ihre Steinäxte mit, um an dem Holzstoß für die Verbrennung mitzuarbeiten. In der Lichtung angekommen, ließ man den Regenmacher in der Mitte stehen und bildete einen kleinen Kreis um ihn, weiter außen im größeren Kreis stand die Menge. Da alle ein unentschlossenes und verlegenes Schweigen be
wahrten, ergriff der Regenmacher selbst das Wort. »Ich bin euer Regenmacher gewesen«, sagte er, »ich habe meine Sache viele Jahre lang so gut gemacht, als ich konnte. Jetzt sind die Dämonen gegen mich, es will mir nichts mehr glücken. Darum habe ich mich zum Opfer gestellt. Das versöhnt die Dämonen. Mein Sohn Turu wird euer neuer Regenmacher sein. Nun tötet mich, und wenn ich tot bin, dann folget genau den Vorschriften meines Sohnes. Lebt wohl! Und wer wird mich töten? Ich empfehle den Trommler Maro, er wird der geeignete Mann dafür sein.«
Er
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