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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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dessen Taten und Leiden hatten nichts mit der Weisheit zu tun, sie ergaben sich, waren Verhängnis, mußten getan und erlitten sein. Auch die Götter lebten nicht in ewigem Frieden und ewiger Weisheit, auch sie kannten Gefahr und Furcht, Kampf und Schlacht, er wußte es aus vielen Erzählungen. So ergab sich Dasa, stritt nicht mehr mit Pravati, ritt zur Truppenschau, sah den Krieg kommen, spürte ihn in aufreibenden nächtlichen Träumen voraus, und indem seine Gestalt magerer und sein Gesicht dunkler wurde, sah er das Glück und die Lust seines Lebens hinabwelken und erblassen. Es blieb nur die Liebe zu seinem Knaben, sie wuchs mit der Sorge, wuchs mit den Rüstungen und Truppenübungen, sie war die rote brennende Blume in seinem verödenden Garten. Er wunderte sich darüber, wieviel an Leere und Freudlosigkeit man ertragen, wie sehr man sich an Sorge und Unlust gewöhnen könne, und wunderte sich auch darüber, wie brennend und beherrschend in einem scheinbar leidenschaftslos gewordenen Herzen solch eine ängstliche und sorgenvolle Liebe blühen könne. War sein Leben vielleicht sinnlos, so war es doch nicht ohne Kern und Mitte, es drehte sich um die Liebe zum Sohn. Seinetwegen erhob er sich des Morgens vom Lager und brachte seinen Tag mit Beschäftigungen und Mühewaltungen
hin, deren Ziel der Krieg und deren jede ihm zuwider war. Seinetwegen leitete er die Beratungen der Führer mit Geduld und stemmte sich den Beschlüssen der Mehrheit nur so weit entgegen, daß man wenigstens abwartete und sich nicht völlig unbesonnen ins Abenteuer stürzte.
    Wie seine Lebensfreude, sein Garten, seine Bücher ihm allmählich fremd und untreu geworden waren, oder er ihnen, so ward ihm fremd und untreu auch die, die so manche Jahre das Glück und die Lust seines Lebens gewesen war. Mit der Politik hatte es begonnen, und damals, als sie ihm jene leidenschaftliche Rede hielt, in der Pravati seine Scheu vor Versündigung und seine Liebe zum Frieden beinah offen als Feigheit verhöhnte und mit geröteten Wangen in glühenden Worten von Fürstenehre, Heldentum und erlittener Schmach redete, damals hatte er betroffen und mit einem Gefühl von Schwindel plötzlich gefühlt und gesehen, wie weit seine Frau sich von ihm entfernt habe oder er von ihr. Und seitdem war die Kluft zwischen ihnen größer geworden und wuchs noch immer, ohne daß eines von ihnen etwas tat, um es zu hindern. Vielmehr: es war Dasa, dem es zugestanden hätte, etwas dergleichen zu tun, denn die Kluft war eigentlich nur ihm sichtbar, und sie wurde in seiner Vorstellung immer mehr zur Kluft aller Klüfte, zum Weltabgrund zwischen Mann und Weib, zwischen Ja und Nein, zwischen Seele und
Leib. Wenn er zurück sann, so glaubte er alles völlig klar zu sehen: wie Pravati einst, die zauberisch Schöne, ihn verliebt gemacht und mit ihm gespielt hatte, bis er sich von seinen Kameraden und Freunden, den Hirten, und von seinem bisher so heiteren Hirtenleben schied und ihretwegen in der Fremde und Dienstbarkeit lebte, Schwiegersohn im Hause unguter Leute, die seine Verliebtheit ausnutzten, um ihn für sie arbeiten zu lassen. Dann war jener Nala erschienen, und sein Unglück hatte begonnen. Nala hatte sich seines Weibes bemächtigt, der reiche schmucke Rajah mit seinen schönen Kleidern und Zelten, seinen Pferden und Dienern hatte die arme, keines Prunkes gewohnte Frau verführt, das konnte ihm ja wenig Mühe gekostet haben. Aber – hätte er sie wohl wirklich so rasch und leicht verführen können, wenn sie im Innersten treu und züchtig gewesen wäre? Nun, der Rajah hatte sie also verführt, oder eben genommen, und hatte ihm den häßlichsten Schmerz angetan, den er bis dahin erlebt hatte. Er aber, Dasa, hatte Rache genommen, erschlagen hatte er den Dieb seines Glücks, das war ein Augenblick hohen Triumphes gewesen. Doch hatte er, kaum war die Tat geschehen, die Flucht antreten müssen; Tage, Wochen und Monate hatte er im Busch und den Binsen gelebt, vogelfrei, keinem Menschen trauend. Und was hatte Pravati in jener Zeit getan? Es war zwischen ihnen niemals viel die Rede davon gewesen. Jedenfalls: ihm
nachgeflohen war sie nicht, ihn gesucht und gefunden hatte sie erst dann, als er seiner Geburt wegen zum Fürsten ausgerufen worden war und sie seiner bedurfte, um den Thron zu besteigen und den Palast zu beziehen. Da war sie erschienen, aus dem Walde und der Nachbarschaft des ehrwürdigen Einsiedlers hatte sie ihn hinweggeholt, man hatte ihn mit schönen Kleidern geschmückt

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