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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Beiziehung auch der Alt-Meister, stattgefunden haben. Nun, ihn gingen die Sitzungen und Entschlüsse der Erziehungsbehörde nichts an; aber wunderlich berührte ihn dieser Gruß, merkwürdig kollegial klang er ihm. Einerlei, welcher Frage jene Konferenz mochte gegolten haben, der Gruß bewies, daß die Obersten bei diesem Anlaß auch von Josef Knecht gesprochen hatten.
Stand ihm Neues bevor? Sollte er abberufen werden? Und würde das eine Beförderung oder ein Rückschritt sein? Aber der Brief sprach nur von Urlaub. Ja, auf diesen Urlaub freute er sich aufrichtig, am liebsten wäre er schon morgen gereist. Aber mindestens mußte er sich doch von seinen Schülern verabschieden und ihnen Weisungen zurücklassen. Anton würde sehr betrübt sein über seine Abreise. Und einigen von den Patres war er auch einen persönlichen Abschiedsbesuch schuldig. Nun dachte er an Jakobus, und beinahe zu seiner Verwunderung spürte er einen zarten Schmerz im Innern, eine Bewegung, die ihm sagte, daß er mit seinem Herzen mehr an diesem Mariafels hange, als er gewußt hatte. Es fehlte ihm hier vieles, woran er gewöhnt und was ihm teuer war, und im Laufe der zwei Jahre war Kastalien in seiner Vorstellung durch die Entfernung und Entbehrung noch immer schöner geworden; in diesem Augenblick aber erkannte er deutlich: was er an Pater Jakobus besaß, war unersetzlich und würde ihm in Kastalien fehlen. Damit wurde ihm auch klarer als bisher bewußt, was er hier erlebt und gelernt habe, und es überkam ihn eine Freude und Zuversicht im Gedanken an die Reise nach Waldzell, das Wiedersehen, das Glasperlenspiel, die Ferien, und die Freude wäre geringer gewesen ohne die Gewißheit der Rückkehr.
    In plötzlichem Entschluß suchte er den Pater auf, erzählte ihm von seiner Abberufung in einen Urlaub,
und wie es ihn selbst überrascht habe, hinter seiner Freude auf die Heimkehr und das Wiedersehen auch schon wieder eine Freude auf die Rückkehr vorzufinden, und da diese Freude vor allem ihm, dem verehrten Pater, gelte, habe er sich ein Herz gefaßt und wage es, ihm eine große Bitte vorzutragen, er möge ihn nämlich nach seiner Wiederkehr ein wenig in die Schule nehmen, wenn auch nur für eine Stunde oder zwei in der Woche. Jakobus lachte abwehrend und formulierte wieder einmal die schönsten spöttischen Komplimente auf die unübertrefflich vielseitige kastalische Bildung, vor welcher ein simpler Klosterbruder wie er nur in stummer Bewunderung verharren und vor Erstaunen den Kopfschütteln könne; aber Josef hatte schon gemerkt, daß die Abwehr nicht ernst gemeint sei, und als er die Hand zum Abschied gab, sagte der Pater ihm freundlich, daß er sich seiner Bitte wegen keine Sorge machen möge, er werde gern das ihm irgend mögliche tun, und nahm den herzlichsten Abschied von ihm.
    Freudig zog er nun heimwärts in die Ferien, im Herzen dessen gewiß, daß seine Klosterzeit nicht nutzlos gewesen sei. Bei der Abreise kam er sich wie ein Knabe vor, um freilich bald zu merken, daß er kein Knabe und auch kein Jüngling mehr sei; er merkte es an einem Gefühl von Beschämung und innerem Widerstand, das sich in ihm einstellte, sobald er mit irgendeiner Gebärde, einem Ruf, einer kleinen Kin
derei auf die Stimmung von Losgebundenheit und ferienhaftem Schulknabenglück antworten wollte. Nein, was einst selbstverständlich und erlösend gewesen wäre, ein Jubelschrei zu den Vögeln im Baum hinauf, ein laut angestimmtes Marschlied, ein schwebend rhythmisches Dahintanzen – es ging nicht mehr, es wäre steif und gespielt herausgekommen, es wäre dumm und kindisch gewesen. Er spürte, daß er ein Mann sei, jung im Gefühl und jung an Kraft, aber in der Hingabe an den Augenblick und die Stimmung nicht mehr geübt, nicht mehr frei, wach gehalten, angebunden und verpflichtet – wodurch? Durch ein Amt? Durch die Aufgabe, bei den Klosterleuten sein Land und seinen Orden zu vertreten? Nein, es war der Orden selbst, es war die Hierarchie, in die er sich bei dieser plötzlichen Selbstbetrachtung unbegreiflich hineingewachsen und eingebaut fand, es war die Verantwortung, das Umfangensein vom Allgemeinen und Höheren, das manchen Jungen alt und manchen Alten jung konnte erscheinen lassen, das einen festhielt, das einen stützte und zugleich der Freiheit beraubte wie der Pfahl, an den ein junger Baum gebunden wird, das einem die Unschuld nahm, während es doch gerade eine immer klarere Reinheit von einem forderte.
    In Monteport begrüßte er den

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