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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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je dem Organisten dabei behilflich gewesen, in seinem kleinen Motettenchor eine uralt ehrwürdige, große Tradition in dünnem Faden bescheiden weiterzuführen. Er hatte einige Funde im klösterlichen Musikarchiv getan und einige Abschriften alter Werke nach Waldzell und namentlich nach Monteport geschickt. Er hatte eine kleine Anfängerklasse von Glasperlenspielern herangezogen, zu welcher jetzt auch als eifrigster Schüler jener junge Anton gehörte. Er hatte dem Abt Gervasius zwar nicht das Chinesische, doch aber das Manipulieren mit den Schafgarbenstengeln und eine bessere Methode des Meditierens über die Sprüche des Orakelbuches beigebracht; der Abt hatte sich sehr an ihn gewöhnt und hatte längst auch seine anfänglichen Versuche, den Gast gelegentlich zum Weintrinken zu verführen, aufgegeben. Die Berichte, in denen er halbjährlich auf die offizielle Anfrage des Glasperlenspielmeisters Antwort gab, wie man in Mariafels mit Josef Knecht zufrieden sei, waren Lobpreisungen. In Kastalien wurden genauer als diese Berichte die Lektions- und Zeugnislisten über Knechts Spielkursus geprüft; man fand das Niveau bescheiden, war aber mit der Art zufrieden, wie der Lehrer sich diesem Niveau und überhaupt der Sitte und dem Geist des Klosters anzupassen wußte. Am meisten zufrieden und wahrhaft überrascht aber war man in der kastalischen Behörde, ohne dies freilich
den Beauftragten merken zu lassen, über den häufigen, vertraulichen, ja schließlich geradezu freundschaftlichen Umgang Knechts mit dem berühmten Pater Jakobus.
    Dieser Umgang hat allerlei Früchte getragen, über die uns ein der Erzählung etwas vorgreifendes Wort erlaubt sei, oder doch über diejenige Frucht, welche Knecht die liebste war. Sie reifte langsam, langsam, sie wuchs so abwartend und mißtrauisch heran wie die Samen von Bäumen des Hochgebirges, die man unten im üppigen Tiefland gesät hat: diese Samen, einem fetten Boden und gütigen Klima übergeben, tragen als Erbschaft das Zurückhalten und Mißtrauen in sich, mit dem ihre Väter aufgewachsen sind, das langsame Tempo des Wachsens gehört zu ihren erblichen Eigenschaften. So ließ der kluge Alte, daran gewöhnt, jede Möglichkeit eines Einflusses auf ihn mißtrauisch zu kontrollieren, all das nur zögernd und schrittweise in sich Wurzel fassen, was der junge Freund, der Kollege vom Gegenpol, ihm an kastalischem Geist zubrachte. Allmählich indessen keimte es doch, und von allem Guten, was Knecht in seinen Klosterjahren erlebt hat, war das Beste und ihm Kostbarste dieses knappe, aus hoffnungslos scheinenden Anfängen zögernd heranwachsende Vertrauen und Sichöffnen des erfahrenen Alten, sein langsam keimendes, noch langsamer zugestandenes Verständnis für seines jüngeren Bewunderers Person nicht nur,
sondern auch für das, was an ihm von spezifisch kastalischer Prägung war. Schritt für Schritt führte der Junge, scheinbar beinahe nur Schüler, Zuhörender und Lernender, den Pater, der zu Anfang die Worte »kastalisch« oder »Glasperlenspieler« nur mit ironischer Betonung, ja ausgesprochen als Schimpfworte benutzt hatte, zur Anerkennung, zum duldenden erst und schließlich auch zum achtungsvollen Geltenlassen auch dieser Geistesart, auch dieses Ordens, auch dieses Versuches zu einer geistigen Adelsbildung. Der Pater hörte auf, die Jugend des Ordens zu bemäkeln, der mit seinen kaum mehr als zwei Jahrhunderten freilich dem benediktinischen um anderthalb Jahrtausende nachstand, er hörte auf, im Glasperlenspiel nur ein ästhetisches Dandytum zu sehen, und hörte auf, für die Zukunft so etwas wie eine Befreundung und Verbündung der beiden so ungleich alten Orden als unmöglich abzulehnen. Daß die Behörden in dieser teilweisen Gewinnung des Paters, welche Josef als ein persönliches und privates Glück ansah, den Gipfel seiner Mariafelser Sendung und Leistung sahen, davon ahnte er noch eine ganze Weile nichts. Je und je besann er sich ergebnislos darüber, wie es nun eigentlich mit seinem Auftrag im Kloster stehe, ob er eigentlich hier etwas leiste und nütze, ob seine Sendung an diesen Ort, welche anfänglich eine Beförderung und Auszeichnung zu sein schien und von den Mitstrebenden beneidet wurde,
nicht auf die Dauer eher einen ruhmlosen Ruheposten, ein Abgeschobensein auf ein totes Geleise bedeute. Lernen konnte man ja überall etwas, warum also nicht auch hier? Aber im Sinn Kastaliens war dies Kloster hier, einzig den Pater Jakobus ausgenommen, kein Garten und Vorbild der

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