Das Glasperlenspiel
und Luft schöpfend. Als er sich dem Studenten wieder zuwandte, war dieser vom Stuhl aufgestanden, als halte er die Audienz für beendet. Der Magister reichte ihm die Hand.
»Ich danke nochmals, Petrus«, sagte er. »Es wird dir bekannt sein, daß ein Magister allerlei Pflichten hat. Ich kann nicht den Hut aufsetzen und abreisen, es muß erst eingeteilt und ermöglicht werden. Hoffentlich bin ich bis übermorgen so weit.
Würde dir das genügen, und wärest du bis dahin mit deiner Arbeit im Archiv fertig? - Ja?
Dann werde ich dich also rufen lassen, wenn es Zeit ist.«
Wirklich reiste Knecht wenige Tage später, von Petrus begleitet, nach Monteport. Als sie dort den Pavillon betraten, den der Alt-Magister in den Gärten bewohnte, eine anmutige und überaus ruhige Klause, hörten sie Musik aus dem hinteren Zimmer her, eine zarte, dünne, aber taktfeste und köstlich heitere Musik; dort saß der Alte und spielte mit zwei Fingern eine zweistimmige Melodie - Knecht riet sofort, es müsse aus einem der Bicinien-Bücher vom Ende des sechzehnten
Jahrhunderts sein. Sie blieben stehen, bis es still wurde, dann rief Petrus seinen Meister an und meldete, er sei zurück und
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habe einen Besuch mitgebracht.
Der Greis erschien in der Tür und blickte sie begrüßend an.
Dies Begrüßungslächeln des Musikmeisters, das alle liebten, war stets von einer kindlich offenen, strahlend sich darbietenden Herzlichkeit und Freundlichkeit gewesen; vor bald dreißig Jahren hatte Josef Knecht es zum erstenmal gesehen und sein Herz diesem freundlichen Manne geöffnet und geschenkt in jener beklommenseligen Morgenstunde im Musikzimmer, er hatte dies Lächeln seither oft und jedesmal mit tiefer Freude und einer wunderlichen Rührung wiedergesehen, und während des freundlichen Meisters grauliches Haar allmählich vollends grau und allmählich weiß geworden, während seine Stimme leiser, sein Händedruck schwächer, sein Gang mühsamer geworden war, hatte das Lächeln nichts an Helligkeit und Anmut, an Reinheit und Innigkeit verloren.
Und diesmal, sah der Freund und Schüler, war es
unzweifelhaft: die strahlende, werbende Botschaft des lächelnden Greisengesichtes, dessen blaue Augen und zarte Wangenröte mit den Jahren immer lichter geworden waren, war nicht nur die alte und oft gesehene, sie war vielmehr inniger, geheimnisvoller und intensiver geworden.
Erst jetzt, bei der Begrüßung, begann Knecht wirklich zu verstehen, worin eigentlich des Studenten Petrus Anliegen bestand und wie sehr er selbst, indem er diesem Anliegen ein Opfer zu bringen meinte, der Beschenkte sei.
Sein Freund Carlo Ferromonte, den er einige Stunden später aufsuchte - er war damals Bibliothekar an der berühmten Monteporter Musikbibliothek-, war der erste, dem er davon sprach. Er hat das Gespräch jener Stunde in einem Briefe festgehalten.
»Unser Alt-Musikmeister«, sagte Knecht, »ist ja dein Lehrer gewesen, und du hast ihn sehr geliebt; siehst du ihn eigentlich noch häufig?«
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»Nein«, meinte Carlo, »das heißt, ich sehe ihn natürlich nicht selten, etwa wenn er seine Promenade macht und ich gerade von der Bibliothek komme, aber gesprochen habe ich seit Monaten nicht mit ihm. Er zieht sich mehr und mehr zurück und scheint Geselligkeit nicht mehr wohl zu vertragen. Früher hatte er einen Abend für Leute meinesgleichen, für seine früheren Repetenten, soweit sie jetzt Beamte in Monteport sind; aber das hat schon seit einem Jahr etwa aufgehört, und daß er damals zu Eurer Investitur nach Waldzell gefahren ist, war für uns alle höchst erstaunlich.«
»Ja«, sagte Knecht, »aber wenn du ihn also doch zuweilen siehst, ist dir da keine Veränderung an ihm aufgefallen?«
»O ja, Ihr meinet sein gutes Aussehen, seine Heiterkeit, sein merkwürdiges Strahlen. Natürlich haben wir das bemerkt.
Während seine Kräfte hinschwinden, nimmt diese Heiterkeit beständig zu. Wir haben uns daran gewöhnt, Euch aber mußte es auffallen.«
»Sein Famulus Petrus«, rief Knecht, »sieht ihn noch viel öfter als du, aber er hat sich nicht, wie du sagst, daran gewöhnt. Er kam, mit plausibler Begründung natürlich, eigens nach Waldzell gereist, um mich zu diesem Besuch zu veranlassen. Was hältst du von ihm?«
»Von Petrus? Er ist ein ganz guter Musikkenner, mehr von der pedantischen Art übrigens als von der genialischen, ein etwas schwerfälliger oder schwerblütiger Mensch. Dem Alt-Musikmeister ist er unbedingt ergeben und würde sein Leben für ihn
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