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Das Glasperlenspiel

Das Glasperlenspiel

Titel: Das Glasperlenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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fragte, was der Alt-Musikmeister ihm aufgetragen habe. »Grüße«, sagte der Student, »sehr herzliche und respektvolle Grüße für Euch, Ehrwürdiger, und auch eine Einladung.« Knecht forderte den Gast auf, sich zu setzen.
    Sorgfältig die Worte wählend, fuhr der Jüngling fort:
    »Der verehrte Alt-Magis ter hat mir, wie gesagt,
    angelegentlich aufgetragen, Euch von ihm zu grüßen. Dabei hat
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    er den Wunsch angedeutet, Euch nächstens, und zwar möglichst bald, einmal bei sich zu sehen. Er lädt Euch ein oder legt Euch nahe, ihn in nächster Zeit aufzusuchen, vorausgesetzt natürlich, daß der Besuch sich in eine Dienstreise einbeziehen lasse und Euch nicht allzusehr versäume.
    So etwa lautet der Auftrag.«
    Knecht blickte den jungen Mann prüfend an; gewiß gehörte er zu den Schützlingen des Alten. Vorsichtig stellte er die Frage:
    »Wie lang gedenkst du dich bei uns im Archiv aufzuhalten, Studiose?« und bekam die Antwort:
    »Genau so lange, ehrwürdiger Herr, bis ich sehe, daß Ihr die Reise nach Monteport antretet.«
    Knecht überlegte. »Gut«, sagte er dann. »Und warum hast du mir das, was der Altmeister dir für mich auftrug, nicht im Wortlaut übermittelt, wie es eigentlich zu erwarten wäre?«
    Petrus erwiderte Knechts Blick beharrlich und gab langsam Bescheid, immer behutsam nach den Worten suchend, als müsse er sich in einer fremden Sprache ausdrücken.
    »Es gibt keinen Auftrag, Ehrwürdiger«, sagte er, »und es gibt keinen Wortlaut. Ihr kennet meinen verehrten Meister und wisset, er war immer ein außerordentlich bescheidener Mann; in Monteport erzählt man, in seiner Jugend, als er noch Repetent war, aber schon bei der ganzen Elite für den prädestinierten Musikmeister galt, habe diese ihm den Spottnamen gegeben›der große Gerneklein‹. Nun, diese Bescheidenheit, und nicht minder seine Pietät, seine Dienstbereitschaft, Rücksichtnahme und Duldung hat sich, seit er alt wurde, und vollends, seit er sein Amt niedergelegt hat, noch vermehrt, Ihr wisset das ohne Zweifel besser als ich. Diese Bescheidenheit würde es ihm verbieten, etwa Eure Ehrwürden um einen Besuch zu bitten, auch wenn er ihn sich noch so sehr wünschen würde. So kam es, Domine, daß ich mit einem Auftrag dieser Art nicht beehrt worden bin und dennoch gehandelt habe, als sei er mir erteilt
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    worden. Wenn es ein Fehler war, so liegt es bei Euch, den nicht vorhandenen Auftrag wirklich als nicht vorhanden zu betrachten.«
    Knecht lächelte ein wenig. »Und deine Beschäftigung im Spielarchiv, Bester? War sie bloß Vorwand?«
    »O nein. Ich habe dort eine Anzahl Schlüssel zu exzerpieren, hätte in nächster Zeit also ohnehin Eure Gastfreundschaft ansprechen müssen. Es schien mir aber ge- raten, die kleine Reise lieber etwas zu beschleunigen.«
    »Sehr gut«, nickte der Magister, wieder ganz ernst geworden.
    »Ist die Frage nach der Ursache dieser Beschleunigung erlaubt?«
    Der Jüngling schloß einen Moment die Augen, die Stirn tief gerunzelt, als quäle die Frage ihn sehr. Dann richtete er den forschenden und jugendlichkritischen Blick wieder fest auf des Magisters Gesicht.
    »Die Frage kann nicht beantwortet werden, außer Ihr würdet Euch entschließen, sie noch genauer zu fassen.«
    »Gut denn«, rief Knecht. »Ist also das Befinden des
    Altmeisters schlecht, ist es besorgniserregend?«
    Der Student merkte, obwohl der Magister mit der größten Ruhe gesprochen hatte, dessen liebende Sorge um den alten Mann; zum erstenmal seit dem Beginn dieser Unterhaltung kam ein Strahl von Wohlwollen in seinen etwas finstern Blick, und seine Stimme klang um ein weniges freundlicher und
    unmittelbarer, als er sich endlich anschickte, sich offen seines Anliegens zu entledigen.
    »Herr Magister«, sagte er, »seid beruhigt, das Befinden des Hochverehrten ist keineswegs schlecht, er ist immer ein vorbildlich gesunder Mann gewesen und ist es noch immer, wenn auch das hohe Alter ihn natürlich sehr geschwächt hat. Es ist nicht etwa so, daß sein Aussehe n sich merklich verändert
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    oder seine Kräfte plötzlich rascher abgenommen hätten, er macht kleine Spaziergänge, musiziert jeden Tag ein wenig und hat bis vor kurzem noch zwei Schülern Unterricht an der Orgel gegeben, Anfängern noch, denn er hat immer die Jüngsten am liebsten um sich gehabt. Aber daß er auch diese beiden letzten Schüler seit einigen Wochen abgegeben hat, ist immerhin ein Symptom, das mir auffiel, und seither habe ich den ehrwürdigen Herrn etwas

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