Das Glasperlenspiel
dafür, vom lachenden und tanzenden Schiwa zertreten und vernichtet zu werden - aber es endet damit nicht, es beginnt neu mit dem Lächeln des träumenden Vischnu, der mit spielenden Händen eine neue, junge, schöne, strahlende
"Welt erschafft. Es ist wunderbar: dieses Volk, einsichtig und leidensfähig wie kaum ein anderes, hat mit Grauen und Scham dem grausamen Spiel der Weltgeschichte zugesehen, dem ewig sich drehenden Rad von Gier und Leiden, es hat die
Hinfälligkeit des Geschaffenen gesehen und verstanden, die Gier und Teufelei des Menschen und zugleich seine tiefe Sehnsucht nach Reinheit und Harmonie, und hat für die ganze Schönheit und Tragik der Schöpfung diese herrlichen
Gleichnisse gefunden, von den Weltaltern und dem Zerfall der Schöpfung, vom gewaltigen Schiwa, der die verkommene Welt in Trümmer tanzt, und vom lächelnden Vischnu, der
schlummernd liegt und aus goldenen Götterträumen spielend eine neue Welt werden läßt.
Was nun unsre eigene, kastalische Heiterkeit betrifft, so mag sie nur eine späte und kleine Abart dieser großen sein, aber sie ist eine durchaus legitime. Die Gelehrsamkeit ist nicht immer und überall heiter gewesen, obwohl sie es sein sollte. Bei uns ist sie, der Kult der Wahrheit, eng mit dem Kult des Schönen verknüpft und außerdem mit der meditativen Seelenpflege, kann also nie die Heiterkeit ganz verlieren. Unser Glasperlenspiel
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aber vereinigt in sich alle drei Prinzipien: Wissenschaft, Verehrung des Schönen und Meditation, und so sollte ein rechter Glasperlenspieler von Heiterkeit durchtränkt sein wie eine reife Frucht von ihrem süßen Saft, er sollte vor allem die Heiterkeit der Musik in sich haben, die ja nichts anderes ist als Tapferkeit, als ein heiteres, lächelndes Schreiten und Tanzen mitten durch die Schrecken und Flammen der Welt, festliches Darbringen eines Opfers. Um diese Art der Heiterkeit war es mir zu tun, seit ich sie als Schüler und Student ahnend zu verstehen begann, und ich werde sie nicht mehr preisgeben, auch nicht im Unglück und Leid.
Wir gehen jetzt schlafen, und morgen früh reisest du.
Komm bald wieder, erzähle mir mehr von dir, und auch ich werde dir erzählen, du wirst erfahren, daß es auch in Waldzell und im Leben eines Magisters Fragwürdigkeiten,
Enttäuschungen, ja Verzweiflungen und Dämonien gibt.
Jetzt aber sollst du in den Schlaf noch ein Ohr voll Musik mitnehmen. Der Blick in den Sternenhimmel und ein Ohr voll Musik vor dem Zubettgehen, das ist besser als alle deine Schlafmittel.« Er setzte sich und spielte behutsam, ganz leise, einen Satz aus jener Sonate von Purcell, einem Lieblingsstück des Paters Jakobus. Wie Tropfen goldenen Lichtes fielen die Töne in die Stille, so leise, daß man dazwischen noch den Gesang des alten laufenden Brunnens im Hofe hören konnte.
Sanft und streng, sparsam und süß begegneten und
verschränkten sich die Stimmen der holden Musik, tapfer und heiter schritten sie ihren innigen Reigen durch das Nichts der Zeit und Vergänglichkeit, machten den Raum und die
Nachtstunde für die kleine Weile ihrer Dauer weit und weltgroß, und als Josef Knecht seinen Gast verabschiedete, hatte dieser ein verändertes und erhelltes Gesicht, und zugleich Tränen in den Augen.
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Vorbereitungen
Es war Knecht gelungen, das Eis zu brechen, ein lebendiger und für beide erfrischender Verkehr und Austausch begann zwischen ihm und Designori. Dieser Mann, der seit langen Jahren in resignierender Melancholie gelebt hatte, mußte seinem Freunde recht geben: es war in der Tat die Sehnsucht nach Heilung, nach Helligkeit, nach kastalischer Heiterkeit gewesen, was ihn nach der pädagogischen Provinz zurückgezogen hatte.
Er kam nun des öfteren auch ohne Kommission und
Amtsgeschäfte, von Tegularius mit eifersüchtigem Mißtrauen beobachtet, und bald wußte Magister Knecht über ihn und sein Leben alles, was er brauchte. Designoris Leben war nicht so außerordentlich und war nicht so kompliziert gewesen, wie Knecht nach dessen ersten Enthüllungen vermutet hatte. Plinio hatte in der Jugend die uns schon bekannte Enttäuschung und Demütigung seines enthusiastischen und tatendurstigen Wesens erlitten, er war zwischen Welt und Kastalien nicht zum Mittler und Versöhner, sondern zum vereinsamten und vergrämten Außenseiter geworden und hatte eine Synthese aus den weltlichen und den kastalischen Bestandteilen seiner Herkunft und seines Charakters nicht zustande gebracht. Und doch war er nicht einfach
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