Das Glasperlenspiel
edler Geschlechter, deren verkommener Sproß er sei und denen er mit seinem Verrat nun in den Rücken falle. Die beiden zerstritten, erbitterten und beleidigten sich mit jedem Worte mehr, bis der Alte plötzlich, als habe er sein eigenes zornverzerrtes Gesicht im Spiegel
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erblickt, in kalter Beschämung verstummte und schweigend davonging. Von da an kehrte das alte harmlos vertrauliche Verhältnis zum Vaterhaus für Plinio nie mehr wieder, denn nicht nur blieb er seiner Gruppe und ihrem Neuliberalismus treu, er wurde sogar noch vor dem Abschluß seiner Studien Veraguths unmittelbarer Schüler, Gehilfe und Mitarbeiter und wenige Jahre später sein Schwiegersohn. War nun schon durch die Erziehung in den Eliteschulen oder doch durch die Schwierigkeiten der Rückgewöhnung an Welt und Heimat das Gleichgewicht in Designoris Seele zerstört und sein Leben mit einer zehrenden Problematik durchsetzt worden, so brachten diese neuen Verhältnisse ihn vollends in eine exponierte, schwierige und heikle Lage. Er gewann etwas ohne Zweifel Wertvolles, eine Art von Glauben nämlich, eine politische Überzeugung und Parteizugehörigkeit, die seinem jugendlichen Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Fortschrittlichkeit entgegenkam, und in der Person Veraguths einen Lehrer, Führer und altern Freund, den er vor- erst kritiklos bewunderte und liebte, der ihn überdies zu brauchen und zu schätzen schien, er gewann eine Richtung und Zielsetzung, eine Arbeit und Lebensaufgabe. Dies war nicht wenig, aber es mußte teuer beza hlt werden.
Hatte sich der junge Mensch mit dem Verlust seiner
natürlichen und ererbten Stellung im Vaterhaus und unter seinen Standesgenossen abgefunden, hatte er das Ausgestoßensein aus einer bevorzugten Kaste und deren Gegnerschaft mit einer gewissen fa natischen Märtyrerfreude zu ertragen gewußt, so blieb doch manches, was er nie ganz verwinden konnte, am wenigsten das nagende Gefühl, seiner sehr geliebten Mutter Schmerz zugefügt, sie zwischen dem Vater und sich in eine höchst unbequeme und heikle Lage gebracht und wahrscheinlich dadurch ihr Leben verkürzt zu haben. Sie starb bald nach seiner Verheiratung; nach ihrem Tode wurde Plinio im Hause seines Vaters kaum mehr gesehen und hat dies Haus, einen alten Familiensitz, nach des Vaters Tode verkauft.
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Es gibt Naturen, welche es zustande bringen, eine mit Opfern bezahlte Stellung im Leben, ein Amt, eine Ehe, einen Beruf, gerade um dieser Opfer willen so zu lieben und sich zu eigen zu machen, daß sie ihr Glück wird und sie befriedigt. Bei Designori war es anders. Er blieb zwar seiner Partei und deren Führer, seiner politischen Richtung und Tätigkeit, seiner Ehe, seinem Idealismus treu, allein mit der Zeit wurden sie alle ihm doch ebenso problematisch, wie sein ganzes Wesen es nun einmal geworden war. Der politische und weltanschauliche
Enthusiasmus der Jugend beruhigte sich, das Kämpfen um des Rechthabens willen war auf die Dauer so wenig beglückend wie das Leiden und Opfern um des Trotzes willen, hinzu kamen Erfahrung und Ernüchterung im beruf liehen Leben; schließlich wurde es ihm zweifelhaft, ob wirklich allein der Sinn für Wahrheit und Recht es gewesen sei, der ihn zum Anhänger Veraguths gemacht hatte, ob nicht dessen Redner- und Volkstribunentum, sein Reiz und seine Geschicklichkeit beim öffentlichen Auftreten, ob nicht der sonore Klang seiner Stimme, sein männlich prächtiges Lachen, die Klugheit und Schönheit seiner Tochter daran mindestens zur Hälfte mitgewirkt hätten. Zweifelhaft wurde mehr und mehr, ob der alte Designori mit seiner Standestreue und seiner Härte gegen die Pächter wirklich den unedleren Standpunkt innegehabt habe, zweifelhaft wurde auch, ob es ein Gut und Schlecht, ein Recht und Unrecht überhaupt gebe, ob nicht die Sprache des eigenen Gewissens am Ende der einzige gültige Richter sei, und wenn es so war, dann war er, Plinio, im Unrecht, denn er lebte ja nicht im Glück, in der Ruhe und Bejahung, im Vertrauen und der Sicherheit, sondern im Unsichern, im Zweifel, im schlechten Gewissen. Seine Ehe war zwar nicht im groben Sinne
unglücklich und verfehlt, aber doch voll Spannungen, Komplikationen und Widerständen, sie war vielleicht das Beste, was er hatte, aber jene Ruhe, jenes Glück, jene Unschuld, jenes gute Gewissen, die er so sehr entbehrte, gab sie ihm nicht, sie
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verlangte viel Umsicht und Haltung, kostete viel Anstrengung, und auch der hübsche und schön veranlagte kleine Sohn Tito wurde
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