Das Glasperlenspiel
ein Gescheiterter, sondern hatte im Unterliegen und Verzichten trotz allem ein eigenes Gesicht und ein besonderes Schicksal erworben. Die Erziehung in Kastalien schien sich an ihm durchaus nicht zu bewähren, wenigstens brachte sie ihm vorerst nichts als Konflikte und Enttäuschungen und eine tiefe, seiner Natur schwer erträgliche Vereinzelung und Vereinsamung. Und es schien, als müsse er, nun einmal auf diesen dornenvollen Weg der Vereinzelten und Nichtangepaßten geraten, auch selber noch allerlei tun, um sich abzusondern und seine Schwierigkeiten zu vergrößern.
Namentlich brachte er sich schon als Student in
unversöhnlichen Gegensatz zu seiner Familie, seinem Vater vor
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allem. Dieser war, wenn auch in der Politik nicht zu den eigentlichen Führern zählend, doch gleich allen Designoris sein Leben lang eine Stütze der konservativen, regierungstreuen Politik und Partei gewesen, ein Feind aller Neuerungen, ein Gegner aller Ansprüche der Benachteiligten auf Rechte und Anteile, mißtrauisch gegen Menschen ohne Namen und Rang, treu und opferbereit für die alte Ordnung, für alles, was ihm legitim und geheiligt erschien. So war er, ohne doch religiöse Bedürfnisse zu haben, ein Freund der Kirche und sperrte sich, obwohl es ihm an Gerechtigkeitssinn, an Wohlwollen und Bereitwilligkeit zum Wohltun und Helfen durchaus nicht fehlte, hartnäckig und grundsätzlich gegen die Bestrebungen der Landpächter zur Verbesserung ihrer Lage. Er rechtfertigte diese Härte scheinlogisch mit den Programm- und Schlagworten seiner Partei, in Wirklichkeit leitete ihn freilich nicht Oberzeugung und Einsicht, sondern blinde Gefolgstreue seinen Standesgenossen und den Traditionen seines Hauses gegenüber, wie denn eine gewisse Ritterlichkeit und Ritterehre und eine betonte Geringschätzung dessen, was sich als modern, fortschrittlich und zeitgemäß gab, für seinen Charakter bezeichnend waren.
Diesen Mann nun enttäuschte, reizte und erbitterte sein Sohn Plinio dadurch, daß er als Student sich einer ausgesprochen oppositionellen und modernistischen Partei näherte und anschloß. Es hatte sich damals ein linker, jugendlicher Flügel einer alten bürgerlichliberalen Partei gebildet, geführt von Veraguth, einem Publizisten, Ab- geordneten und Volksredner von großer, blendender Wirkung, einem temperamentvollen, gelegentlich ein wenig von sich selbst entzückten und gerührten Volksfreund und Freiheitshelden, dessen Werben um die akademische Jugend durch öffentliche Vorträge in den Hodischulstädten nicht erfolglos blieb und ihm unter andern begeisterten Hörern und Anhängern auch den jungen Designori zuführte. Der Jüngling, von der Hochschule enttäuscht und auf
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der Suche nach einem Halt, einem Ersatz für die ihm wesenlos gewordene Moral Kastaliens, nach irgendeinem neuen
Idealismus und Programm, war von den Vorträgen Veraguths hingerissen, bewunderte dessen Pathos und Angriffsmut, seinen Witz, sein anklägerisches Auftreten, seine schöne Erscheinung und Sprache und schloß sich einer Gruppe von Studenten an, die aus Veraguths Zuhörern hervorgegangen war und für dessen Partei und Ziele warb. Als Plinios Vater es erfuhr, reiste er alsbald zu seinem Sohne, donnerte ihn zum ersten Male im Leben im höchsten Zorne an, warf ihm Verschwörertum, Verrat an Vater, Familie und Tradition des Hauses vor, und gab ihm bündig den Befehl, sofort seine Fehler wiedergutzumachen und seine Verbindung mit Veraguth und dessen Partei zu lösen. Dies war nun nicht die richtige Art, Einfluß auf den Jüngling zu nehmen, dem jetzt aus seiner Haltung sogar eine Art von Martyrium zu erwachsen schien. Plinio hielt dem Donner stand und erklärte seinem Vater, er habe nicht darum zehn Jahre die Eliteschulen und einige Jahre die Universität besucht, um auf eigene Einsicht und eigenes Urteil zu verzichten und seine Auffassung von Staat, Wirtschaft und Gerechtigkeit sich von einem Klüngel eigensüchtiger Landbarone vorschreiben zu lassen. Es kam ihm dabei die Schule Vera- guths zugute, der nach dem Vorbild großer Tribunen niemals von eigenen oder Standesinteressen wußte und nichts anderes in der Welt erstrebte als die reine, absolute Gerechtigkeit und Menschlichkeit. Der alte Designori brach in ein bitteres Gelächter aus und lud seinen Sohn ein, wenigstens erst sein Studium zu beenden, ehe er sich in Männerdinge einmische und sich einbilde, vom
Menschenleben und der Gerechtigkeit mehr zu verstehen als ehrwürdige Generationenreihen
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